Vereinbarkeit Beruf und Familie

Die Zukunft liegt in den Händen der Männer und Frauen


Carolina Müller-Möhl ist Präsidentin der Müller-Möhl Group, einem Single Family Office, und engagiert sich in zahlreichen Verwaltungsund Beiräten wie Orascom, NZZNeue Zürcher Zeitung oder Avenir Suisse. In Anerkennung ihres gesellschaftspolitischen Engagements wurde sie 2007 vom World Economic Forum (WEF) zum Young Global Leader nominiert. In diesem Jahr rief sie die Müller-Möhl Foundation ins Leben, welcher sie seither vorsitzt.



Bortoluzzi Dubach:

Sie sind nicht nur als erfolgreiche Unternehmerin, sondern auch als engagierte Förderin der Frauen bekannt. Wer oder was hat Sie dazu gebracht, sich so intensiv um die Frauenförderung zu kümmern? Gibt es dabei Meilensteine oder Erfolge, auf die Sie besonders stolz sind?


Müller-Möhl

: In der Schweiz beträgt der Anteil der Frauen in Geschäftsleitungen gerade 5 %, in den Verwaltungsräten sieht es nur ein bisschen besser aus. Dabei sind heute über 50 % aller Studierenden in der Schweiz weiblich; an Talenten mangelt es nicht wirklich. Diese Situation widerspricht meinen Grundwerten von Gleichheit und Fairness wie auch meiner Überzeugung als liberale und verantwortungsbewusste Bürgerin. Entschließt sich eine Frau – aus welchen Gründen auch immer – nach dem Studium, gar keinem Beruf nachzugehen oder ihren Beruf nicht längerfristig auszuüben, zahlt der Steuerzahler ihre Ausbildung, ohne etwas davon zu haben. Das ist aus meiner Sicht falsch. Nutzt die Wirtschaft, die einem Arbeitskräftemangel gegenübersteht, den Talentpool „Frau“ nicht – ist das unintelligent und volkswirtschaftlich ein immenser Verlust. Als Erfolg – und Motivation – deute ich die nun rege geführte öffentliche Diskussion dieses Themas, welche ich seit zehn Jahren immer wieder angestoßen habe. Heute setzen sich führende Persönlichkeiten wie Viviane Reding, EUKommissarin für Justiz, oder René R. Obermann, Vorsitzender der Deutschen Telekom, für mehr Frauen in den Topetagen der Unternehmen ein. Politik und Wirtschaft haben offensichtlich erkannt, dass wir gemeinsam nach Lösungen suchen müssen. Zufrieden stimmt es mich auch, wenn es mir immer mal wieder gelingt, Berufskolleginnen in Gremien zu holen, denen ich angehöre, oder wenn ich höre, dass mit dem von uns unterstützten Programm „Women back to Business“ der Universität St. Gallen seit 2008 einer großen Zahl hochqualifizierter Frauen der Wiedereinstieg in die Berufswelt gelungen ist.


Bortoluzzi Dubach

: Was ist die Aufgabenstellung Ihrer Stiftung?


Müller-Möhl:

Die Müller-Möhl Foundation ergreift aktiv eigene Initiativen zu Themen, die für die Zukunft der Gesellschaft von großer Bedeutung sind, von Politik und Privatwirtschaft aber bisher nur unzureichend behandelt werden. In diesem Sinne wirkt die Stiftung also nicht nur fördernd, sondern auch operativ. Zurzeit liegt der Fokus auf Gender Diversity, Bildung und der Förderung des Wirtschafts- und Stiftungsstandortes Schweiz. Die Stiftung möchte die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf diese Themen lenken, Lösungen präsentieren, die wichtigsten Akteure miteinander vernetzen und sie zur Zusammenarbeit animieren.


Bortoluzzi Dubach:

Welche konkreten Projekte unterstützt die Müller-Möhl Foundation zur Zeit?


Müller-Möhl:

Im Bereich Gender Diversity setzt sie sich dafür ein, das Potenzial gut ausgebildeter Frauen besser zu nutzen. Verbesserte Rahmenbedingungen sollen es Frauen UND Männern erlauben, Familie und Karriere miteinander zu vereinbaren. Mit eigenen Veranstaltungen wie der kürzlich durchgeführten „Stories from the Front Line“ zum Thema Frauenanteil in Führungsgremien wollen wir Wirtschaft und Politik auf Missstände aufmerksam machen. Auf dem Podium diskutierten neben René R. Obermann auch Urs Rohner, Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse, und Nicole Schwab, Mitgründerin der von uns unterstützten Organisation „The Gender Equality Project“. Dieses bietet Unternehmen Analysewerkzeuge an, mit denen sie ihre Leistungen bei Lohngleichheit, Einstellungsverfahren, Training und Mentoring, flexible Arbeitszeiten und Unternehmenskultur vergleichen und sich gemeinsam über mögliche Lösungen austauschen können. Im Bereich der Bildung will die Müller-Möhl Foundation beispielsweise die frühkindliche Förderung in der Schweiz verbessern und ihren Beitrag dazu leisten, dass das Investitionsvolumen in diesem Bereich markant erhöht wird. Deshalb unterstützen wir das Department of Economics von Professor Ernst Fehr an der Universität Zürich, welches Forschung im Bereich frühkindlicher Bildung betreibt. Dies sind nur zwei unserer vielfältigen Projekte. Bei vielen unserer Anliegen engagiere ich mich zudem in den Gremien unserer Kooperationspartner.


Bortoluzzi Dubach:

Inwiefern helfen Ihnen Ihre Fähigkeiten und Erfahrungen aus dem Investment-Bereich eines gewinnorientierten Unternehmens bei der Stiftungsarbeit?


Müller-Möhl:

Als Unternehmerin und Investorin werden von mir höchste Professionalität sowie Weitsicht und Nachhaltigkeit erwartet. Dazu gehört auch die Fähigkeit, Probleme frühzeitig zu erkennen und dafür innovative Lösungen zu finden. In der Stiftungsarbeit erwarte ich von mir selbst genau dasselbe. Philanthropen von heute sollten keine – oder nicht ausschließlich – Spender sein, sondern soziale Investoren.


Bortoluzzi Dubach

: Können Sie sich vorstellen, für gewisse dringende Anliegen im Bereich der Frauenförderung, z.B. der Unterstützung von Kinderkrippen oder Mittagstischen, auch mit öffentlichen Institutionen zusammenzuarbeiten? Wenn ja, in welcher Art und Weise?


Müller-Möhl:

Natürlich! Gerade wenn es um die Schaffung richtiger Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht, sind wir auf die Mithilfe des Staates angewiesen. Private-Public-Partnerships können eine sehr gute Sache sein. So benötigen wir beispielsweise Reformen im Steuersystem, welche die Fehlanreize für Familien mit unteren und mittleren Einkommen beseitigen. Zudem braucht es mehr Tagesschulen, Krippenplätze und firmeninterne Krippen. Alles Bereiche, in denen wir die Unterstützung der Politik brauchen.


Bortoluzzi Dubach:

Gibt es für Personen oder Institutionen, die Ihre Anliegen und Zielsetzungen teilen, Möglichkeiten, mit Ihrer Stiftung zusammenzuarbeiten?


Müller-Möhl:

Ja, die gibt es auf jeden Fall. Ich würde sogar sagen, dass wir selten alleine arbeiten. Die Grundphilosophie der Müller-Möhl Foundation ist es, die verschiedenen Stiftungen und anderen Akteure in den jeweiligen Themen miteinander zu verbinden und zur Zusammenarbeit zu bewegen. Dies ist nicht immer ganz einfach, da wir in der Schweiz nur ungern über das persönliche Engagement reden und so die Stiftungstätigkeit nach wie vor meist im Verborgenen stattfindet. Hier möchte ich gerne einen Gesinnungswandel ganz nach dem Vorbild von Waren Buffet und Bill und Melinda Gates hervorrufen: „Tue gemeinsam mit anderen Gutes und sprich darüber.“


Bortoluzzi Dubach:

Gibt es bereits Netzwerke oder Gruppen von Frauen, mit denen Sie bei Ihrer Stiftungsarbeit zusammenarbeiten oder mit denen Sie sich für gemeinsame Projekte zusammen engagieren werden? Können wir erwarten, dass Carolina Müller-Möhl den ersten Club der Europäischen Philanthropinnen gründet?


Müller-Möhl:

Ich arbeite gerne mit Frauen zusammen und es gibt in Europa tatsächlich sehr interessante und sehr engagierte Philanthropinnen. Aber ist die Geschlechtertrennung in der Philanthropie tatsächlich der richtige Weg? Ich denke, das wäre eher künstlich. In der Philanthropie sollte man „inklusive“ denken und nicht „exklusive“ handeln. Viele Projekte, die wir unterstützen, werden aber von Frauen geleitet.


Bortoluzzi Dubach:

Haben Sie schon eine Vorstellung davon, wie Sie Ihren Anliegen auf europäischer Ebene z.B. in Zusammenarbeit mit anderen Stifterinnen oder Stiftungen vorantreiben könnten?


Müller-Möhl:

Wie erwähnt – wir kooperieren viel und gerne mit anderen, insbesondere mit deutschsprachigen Stiftungen, wenn sich die Themen anbieten. Um der zunehmenden Jugendverschuldung Einhalt zu gebieten, setzen wir uns beispielsweise im Bereich der Financial Literacy mit dem Verein „Learn Money“ dafür ein, dass Finanzkompetenz ein Schulfach wird. Eine enge Zusammenarbeit existiert auch mit Heiner Thormborgs und dem von uns begleiteten Projekt „Generation CEO“, welches junge Aufsteigerinnen auf ihrem Weg in die obersten Führungsetagen unterstützt.


Bortoluzzi Dubach:

Zum guten Schluss: In einem Jahr wird die Müller- Möhl Foundation…


Müller-Möhl:

…weiterhin für ein gelebtes, verantwortungsvolles und engagiertes Bürgertum einstehen und die gleichen Ziele verfolgen wie heute.