Bildung

Du kannst alles verlieren, (…) nur nicht das, was Du im Kopf hast.


Sie gilt als eine der reichsten Schweizerinnen, doch das reicht ihr nicht. Carolina Müller-Möhl engagiert sich seit Jahren für das Thema Bildung. Denn auch in ihrem eigenen Leben spielte diese die entscheidende Rolle. Mit ihr sprach Tanja Kewes.


Handelsblatt

: Was ist Ihr größtes Kapital?


Müller-Möhl:

Meine Bildung.


Handelsblatt

: Nicht Ihr Geld?


Müller-Möhl

: Nein, meine Bildung. Ich habe wie der Pädagoge und Sozialreformer Johann Heinrich Pestalozzi ein sehr breites Bildungsverständnis, das von „Herz, Kopf und Hand“ ausgeht. Die Herzensbildung, also nach Werten wie Toleranz und Respekt zu leben, haben meine Eltern mir mitgegeben. Die Kopfbildung verdanke ich meiner Schul- und Universitätszeit in Salem, Heidelberg, Berlin und London. Dort haben sich auch meine Überzeugungen von Vertrauen und dem Leistungsgedanken gefestigt. Und das Handanlegen habe ich spätestens in den vergangenen elf Jahren seit dem TodmeinesMannes im Learning- by-doing-Verfahren gelernt.


Handelsblatt

: Warum nicht Ihr Geld?


Müller-Möhl

: Ich beziehe mein Selbstverständnis nicht über Geld. Und stimme mit meinem Vater überein der sagte: „Du kannst alles verlieren – deinen guten Ruf, dein Vermögen, dein Haus, deine liebsten Menschen, nur nicht das, was du im Kopf hast.“ Natürlich verleiht finanzielle Unabhängigkeit eine gewisse Freiheit. Andererseits bedeutet sie aber auch Verpflichtung – nämlich die, mit dem Kapital verantwortungsvoll umzugehen.


Handelsblatt

: Was und wie bewegt Ihre Müller-Möhl-Gruppe?


Müller-Möhl:

Wir bewegen, indem wir investieren. Die Müller-Möhl-Gruppe ist ein Single Family Office, managt also ausschließlich das Vermögen der Familie. Dieses ist über alle Anlageklassen – Aktien, Obligationen, Immobilien, Hedge-Fonds, aber auch direkte Beteiligungen bis hin zu Startups, etwa im Bereich Mikroversicherungen – investiert.


Handelsblatt

: Welcher Risiko-Typ sind Sie?


Müller-Möhl:

Wir sind konservative, langfristig orientierte Anleger. Entsprechend erwarten wir auch keine 20 Prozent Rendite, und ich hänge auch nicht ständig am Bloomberg- Terminal. Selbstverständlich möchten aber auch wir das Kapital bewahren und mehren.


Handelsblatt

: Verwalten Sie nur?


Müller-Möhl:

Ich bin kein Hüttenwart. Das konnte ich übrigens auch nie sein. Unser Vermögen war ja nicht über Jahrzehnte gewachsen und wohlstrukturiert …


Handelsblatt:

Sondern?


Müller-Möhl:

Es war ein Puzzle. Mein Mann wurde vor elf Jahren durch einen Flugzeugabsturz mitten aus dem Leben gerissen und hatte weder mich noch sonst jemanden in seine Geschäfte eingewiesen. Es hat mich und einige Anwälte fünf Jahre gekostet, um das Anlagepuzzle zu ordnen und neu zu strukturieren. Wir fanden eine Ansammlung verschiedenster Investments vor, die er vor allem in den späten 90er-Jahren getätigt hatte. Einiges war spekulativ, das Portfolio wies einen hohen Fremdkapitaleinsatz aus und es gab ein Klumpenrisiko im Technologiesektor.


Handelsblatt

: Wie haben Sie das Puzzle zusammengefügt?


Müller-Möhl:

Mit viel Fleiss, Zeiteinsatz, Hartnäckigkeit und einem sehr guten Team. Das schwierige Marktumfeld nach dem Platzen der Internetblase hat uns erst nicht viel Spielraum gelassen und die Investition im Technologiesektor hat uns einige Sorgen bereitet.


Handelsblatt

: Wie sehr haben Sie sich selbst eingebracht?


Müller-Möhl:

Über die letzten elf Jahre täglich. Dabei habe ich besonders in der Anfangsphase nicht immer die richtige Entscheidung getroffen, aber es ist uns gelungen, zwei Private-Equity-Perlen im Portfolio zu identifizieren und weiterzuentwickeln. Bei Plus Orthopedics etwa, einer jungen Medizinaltechnologie- Firma, bei der mein Mann 1999 eingestiegen war, übernahm ich im Jahr 2000 einen Sitz im Verwaltungsrat. Die Firma entwickelte sich sensationell und so konnten wir sie 2007 mit einem zehnfachen Faktor unseres Originalinvestments an die börsennotierte Smith&Nephew verkaufen.


Handelsblatt:

Der Verkaufserlös lag bei knapp einer Milliarde Dollar.Was können Sie noch auf Ihrer Habenseite verbuchen?


Müller-Möhl:

Ein anderer erfolgreicher Schachzug war das Festhalten an unserem Engagement bei DKSH – einem Schweizer Dienstleistungs und Handelskonzern. Zugunsten der Diversifikation haben wir 2008 aber auch diese Position auf unter fünf Prozent re- duziert.


Handelsblatt: Haben Sie Schulden?


Müller-Möhl:

Nein.


Handelsblatt

: Warum nicht? Trauen Sie den Banken nicht?


Müller-Möhl:

Unabhängigkeit geht mir über alles. Und heute kann ich sagen, dass ich es finanziell und inhaltlich bin. Ich bin eine kritische Seele, sage gerne und direkt meine Meinung. Das geht besser, wenn man unabhängig ist.


Handelsblatt

: Ihr Rat ist gefragt. Sie sitzen in den Verwaltungsräten von Nestlé, Orascom und der Neuen Zürcher Zeitung.


Müller-Möhl:

Ja, und da fühle ich mich wirklich wohl. Ich bin mit der NZZ aufgewachsen. Die NZZ steht für eine liberale Grundhaltung und Qualitätsjournalismus, beides Dinge, die mir sehr am Herzen liegen. Die Institution NZZ ist wichtig für unser Land, es freut mich, dass ich hierzu meinen Beitrag leisten kann.


Handelsblatt

: Sie engagieren sich für Jungunternehmer. Warum?


Müller-Möhl:

Unternehmertum war für die Schweiz schon immer wichtig. Wir Eidgenossen haben ja keine Rohstoffe, keinen Meerzugang. Wir haben vor allem unsere Köpfe, das Humankapital. Die Ausbildung von Unternehmern muss deshalb schon früh und umfassend beginnen. So setze ich mich etwa für ein Schulfach „Wirtschaft“ ein. Die „financial literacy“ und damit auch der kritische Verstand für Finanzthemen muss in der Schweiz verbessert werden. Denn Bildung erlaubt die größte Unabhängigkeit und Freiheit. Gerade auch für uns Frauen. Und Talent kennt kein Geschlecht. Erstaunlicherweise ist der Frauenanteil in Führungspositionen aber trotz der Vielzahl an hochgebildeten Frauen auch in der Schweiz absolut ungenügend. Ausmeiner Sicht ist es falsch, dieses Potenzial nicht zu nutzen.