Vereinbarkeit Beruf und Familie

Martin Senti – Managerinnen verzweifelt gesucht

Die Kontroverse um Geschlechterquoten ist alles andere als neu. Erfrischend ist allenfalls, dass sie nicht mehr so strikt zwischen links und rechts trennt; zumindest nicht unter Frauen. Arrivierte Managerinnen geben heute überzeugt ihre Testimonials für (befristete) Quoten ab. Diese sollen einen sozialen Wandel beschleunigen, den die Gesellschaft bis jetzt nur zögerlich vollzieht. Gemeint ist die Überwindung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung. Dass diesbezüglich ohne faktische Männerquoten in der Familien- und Betreuungsarbeit wenig zu erwarten ist, bleibt häufig unerwähnt. Die Debatte krankt also nach wie vor an der einseitigen Optik von «Frauenförderung». Wird die Männerrolle ausgeklammert, dürften Quoten wenig effektiv sein, wenn nicht gar kontraproduktiv. Ergebnisquoten packen zudem das Kernproblem nicht an der Wurzel an, sondern sozusagen erzieherisch am Schopf. Das ist aus liberaler Sicht inakzeptabel. Allerdings: Ein schaler Nachgeschmack haftet auch dieser ablehnenden Haltung an. Denn die tradierten Rollenzuweisungen atmen auch nicht eben einen liberalen Geist. Angefangen beispielsweise bei Rousseau: Er unterschied in seinem Gesellschaftsvertrag beim Gleichheitssatz einen «status naturalis» von einem «status civilis». Dabei verlor sich die ursprüngliche Gleichheit aller Menschen im Naturzustand unter «zivilen» Verhältnissen mit der vertraglichen Unterwerfung unter staatliche Sicherheits- und Eigentumsgarantien. Die Frauen aber beliess dieser Gesellschaftsentwurf ganz nonchalant im Naturzustand. Sie verloren ihre Gleichrangigkeit. Die Geschlechterdifferenz ist also auch eine kulturelle, und unsere liberale Gesellschaftsordnung gründet auf einer Konstruktion, die ursprünglich den Ausschluss der Frauen aus dem Kreis der «Zivilisierten» vorsah. Das haben beide Geschlechter immer noch tief verinnerlicht. Dessen sollte man sich im Quoten-Streit zumindest bewusst sein.



Mit freundlicher Genehmigung der NZZ.


M., Senti. (2012).

Managerinnen verzweifelt gesucht.

NZZ am 22. Oktober 2012.