Bildung

Nadine Jürgensen – Die Suche nach dem gemeinsamen Nenner



Vorstösse für einen Elternurlaub sind bisher immer gescheitert. Nun scheint es, als gäbe es einen grundsätzlichen minimalen Konsens dafür.

Ein bezahlter Elternurlaub würde es nach der Geburt eines Kindes erlauben, dass nicht nur die Mutter, sondern auch der Vater eine gewisse Zeit für die Betreuung des Kindes vom Arbeitsplatz fernbleiben dürfte. Diese Idee war in der Schweiz bis anhin immer chancenlos. Zehn Jahre nach Schaffung der Mutterschaftsversicherung sind sich die BDP, die SP, die GLP, die CVP-Frauen, die EVP, die Grünen, die Juso und die CSP einig: Der Elternurlaub ist ein wichtiges politisches Anliegen. Diese Haltung hat eine Umfrage der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen zum Thema Elternurlaub ergeben, die am Dienstag veröffentlicht worden ist. Doch welche Haltung vertreten die grossen Fraktionen FDP, CVP und SVP?

Für die SVP ist die Antwort klar: Sie lehne einen Elternurlaub kategorisch ab, lautete die Antwort auf die Umfrage. Kinderhaben sei ein Entscheid, der eigenverantwortlich zu tragen sei. Die Partei will einen allfälligen Sozialausbau verhindern. Der CVP war die Frist für eine Antwort zu kurz, aber sie äusserte grundsätzlich die Ansicht, dass ein Elternurlaub möglich sein solle – soweit dieser den KMU gerecht werde und die Wirtschaft nicht belaste.


Für eine Flexibilisierung

Nicht mitgemacht hat die FDP, weil sie die Anfrage dazu «nicht erhalten habe», wie die Kommunikationschefin Pia Guggenbühl mitteilt. Grundsätzlich sei die Partei «skeptisch gegenüber einem weiteren Ausbau beim Staat», schreibt die Partei auf Anfrage weiter. «Wir favorisieren jedoch eine Flexibilisierung beim Elternurlaub. Hierbei sind verschiedene Modelle zu prüfen.»

Die knappe Antwort der FDP und die zaghafte Zusage für eine Flexibilisierung eines – notabene nicht existierenden – Elternurlaubs stehen für die schwierige interne Positionierung bei diesem Thema. Ein Ausbau des Sozialstaats bereitet der liberalen Partei offenbar Kopfzerbrechen – verständlicherweise. Auch wenn sich die FDP für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie einsetzen möchte, so tut sie sich schwer, dafür liberale Rezepte zu finden. «Wir ringen um eine Lösung», sagt Carmen Walker Späh, die Präsidentin der FDP-Frauen, auf Anfrage. Die Regelung der Elternzeit sei ein wichtiges Thema, sagt sie. «Doch so eine Elternzeit muss erst noch erfunden werden – aber auf eine liberale Art und Weise.» Wie das aussehen könnte, müsse nun parteiintern konsolidiert werden. Klar sei, dass ein solcher Vorschlag auch wirtschaftsorientiert sein müsse. Man sei deshalb in Kontakt mit den Wirtschaftsverbänden, um eine tragfähige Lösung zu finden.

Obwohl sich, mit Ausnahme der SVP, alle Parteien einen Elternurlaub vorstellen könnten, weichen die Ideen bei der Ausgestaltung teilweise stark voneinander ab. Zwar wird mehrheitlich die Meinung vertreten, dass ein Elternurlaub bezahlt sein müsste. Die Vorschläge für die Dauer eines solchen reichen jedoch von 2 Wochen bis zu 2 Jahren. Die CVP-Frauen können sich einen 4-wöchigen bezahlten Elternurlaub vorstellen. Sie betonen ausserdem, dass die bestehende Regelung der Mutterschaftsversicherung (Erwerbsersatz von 80 Prozent während 14 Wochen) nicht angetastet werden dürfe und der Elternurlaub erst im Anschluss daran gewährt werden könnte. Dass der Mutterschaftsurlaub nicht zur Disposition gestellt werden dürfte, betont auf Anfrage auch Walker Späh.


Kompromiss notwendig

Die BDP, die GLP sowie die Juso möchten hingegen die bestehende Mutterschaftsversicherung durch einen Elternurlaub ersetzen. Die GLP sieht maximal 20 Wochen Elternurlaub vor – je ausgeglichener er auf die Elternteile verteilt werde, desto länger solle er ausfallen. Die BDP schlägt vor, die Mutterschaftsversicherung durch einen Elternurlaub von 24 Wochen zu ersetzen, wobei die Mutter weiterhin 14 Wochen Urlaub beziehen soll. Auch die Juso wollen die Mutterschaftsversicherung ersetzen, und zwar durch einen Elternurlaub von 2 Jahren (104 Wochen), der verteilt über die ersten fünf Lebensjahre des Kindes bezogen werden kann.

Die SP und die SP-Frauen plädieren für einen bezahlten Elternurlaub von 24 Wochen, wobei jeder Elternteil mindestens 10 Wochen beziehen würde. Die Grünen möchten einen individuellen, nicht übertragbaren bezahlten Urlaub von mindestens 16 Wochen und maximal 24 Wochen für jeden Elternteil.

Politisch ist der Elternurlaub folglich nicht mehr ganz so chancenlos, wie er es lange Jahre war. Die grundsätzliche Bejahung der Einführung eines Elternurlaubs dürfte jedoch ohne grosszügigen Kompromiss aller Parteien bis auf Weiteres die einzige Gemeinsamkeit bleiben.


Mit freundlicher Genehmigung der NZZ.

Jürgensen, N. (2014).

Umgang mit Geld lernen dank Jugendloh.

NZZ am 12.11.2014.