Bildung

Wirtschaft begreifen und das Leben verstehen

Als lukrative Klientel der Werbung sind unsere Kinder immer begehrter. Sie sollen ihren Eltern möglichst früh erklären können, warum ein Leben ohne Gameboy nicht lebenswert ist und warum beim Turnschuh Form und Anzahl der Streifen eben doch ganz entscheidend sind. Und sie tun dies in der Regel mit Erfolg.

Gleichzeitig trauen wir unserem Nachwuchs aber offenbar nicht zu, elementare ökonomische Vorgänge, beispielsweise im Bereich Konsumverhalten, Umgang mit Geld, Produktion oder Steuersystem, zu verstehen. Ein Unterrichtsfach, das Wirtschaftsthemen altersgerecht verpackt vermittelt, sucht man in der Volksschule vergeblich.

In den Lehrplänen gibt es keine Verpflichtung zur Behandlung volkswirtschaftlicher Zusammenhänge. Das Thema kann allenfalls und meist nur am Rande im Block «Mensch und Umwelt» gestreift werden. Im Klartext: Ob bereits Hänschen oder erst Hans Vorstellungen zu ökonomischen Prinzipien wie Markt, Güter- oder Geldströmen entwickelt, hängt ausschliesslich von der Initiative der Lehrperson ab. Ich bin überzeugt, dass hier von zahlreichen Lehrpersonen gute Arbeit geleistet wird. Die Verbindlichkeit fehlt aber.

Dabei zeigen Studien und Untersuchungen ein interessantes Bild: «Kinder sind nicht zu jung, um ökonomische Themen zu verstehen» – hält die renommierte deutsche Bildungswissenschaftlerin Meike Wulfmeyer fest. Sie bemängelt in diesem Zusammenhang eine «falsch verstandene Kindorientierung» und fordert, dass Ökonomie zum Kernstoff der Grundschule gehören muss. Ihr Buch «Ökonomische Bildung in der Grundschule – Wie Kinder handlungsorientiert Wirtschaft machen!» zeigt Beispiele aus der Schulpraxis auf.

Wir erwarten von unseren Kindern und künftigen Erwachsenen, dass sie in einer hochkomplexen Gesellschaft und Wirtschaftswelt bestehen und mit deren Chancen – aber auch deren Gefahren und Verführungen – sicher umgehen. Gleichzeitig verzichten wir darauf, Ihnen schon möglichst früh das Rüstzeug dafür mitzugeben. Das ist eine verpasste Chance!

Es gibt vielversprechende Ansätze: So stellt die Schweizerische Nationalbank im Rahmen ihres Projekts «iconomix» Dokumentationsmaterialien für Schulen bereit. Die «Young Enterprise Switzerland», eine private Initiative, bietet Wirtschaftsbildungsprogramme für jede Schulstufe an.

Wer sorgt für die dringend notwendige Entrümpelung der Lehrpläne? Für das Forum Bildung (www.forumbildung.ch) ist klar: Wirtschaftsthemen sollten darin einen festen Platz erhalten. Die Aufgabe ist anspruchsvoll und kann kaum allein von den Erziehungsbehörden, aber auch nicht allein von der Wirtschaft gelöst werden. Es braucht neue, stufengerechte Lehrpläne und Lehrmittel. Und es braucht die politische Bereitschaft, dieses Feld gemeinsam anzugehen.

© 2009 «Sonntagsblick»