Vereinbarkeit Beruf und Familie

Zwei Wochen sind ein Witz



von Nadine Jürgensen

Männer, die allein den Kinderwagen durch die Stadt schieben, sind keine Seltenheit mehr. Doch das Selbstbewusstsein der jungen Väter von heute war nicht immer selbstverständlich. Zwar haben schon unsere Grossväter Windeln gewechselt, das Kind getröstet oder dessen Nase geputzt – aber nicht öffentlich. Solches war vor allem eines: unmännlich. Heute ist es ein Coolness-Faktor. Die Väter von heute besuchen Geburtsvorbereitungskurse, sind bei der Geburt dabei, die bis vor einigen Jahrzehnten noch eine rein weibliche Angelegenheit war. Viele Väter wollen abends nicht nur zum Gutenachtkuss anwesend sein, sondern ihre Kinder aufwachsen sehen.


500 akademisch Gebildete Frauen am Herd

Spätestens wenn das erste Kind auf der Welt ist, bleiben die jungen Mütter zu Hause. 14 Wochen mindestens dank bezahltem Mutterschaftsurlaub, viele von ihnen länger, indem sie unbezahlten Urlaub beziehen oder grosszügigere Regelungen in Anspruch nehmen. Während die Frauen Zeit fürs Neugeborene haben, kehren die Väter zurück zum Job, der für manchen gar zur Oase wird. Je nach Arbeitgeber bereits nach dem gesetzlich gewährten freien Tag – manchmal auch erst nach zwei oder drei Wochen, wenn der Arbeitgeber grosszügig ist. Die wenigsten beziehen Ferien oder unbezahlten Urlaub.

In dieser Konstellation passiert Wunderliches: Die ehemals berufstätigen Frauen werden zur Hausfrau, erledigen trotz Wochenbett Einkäufe, besorgen den Haushalt und schauen zum Kind. Selbst Paare, die zuvor beide gearbeitet und die Haushaltsarbeit aufgeteilt haben, fallen in ein traditionelles Rollenmuster zurück. Das liegt auf der Hand. Wer den ganzen Tag zu Hause ist, fühlt sich viel eher der Haushaltsarbeit verpflichtet als der Partner, der «Geld verdienen» geht.

So vergehen die Monate, und es bilden sich Gewohnheiten. Die Mutter kennt die Vorlieben und die Eigenheiten des Kindes, der Säugling hat sich nur an die Mutter gewöhnt, und die Bindung zwischen den beiden wird so eng, dass sich manch ein Vater ausgeschlossen und hilflos fühlt. Ist der Mutterschaftsurlaub vorbei, müssen sich die Mütter entscheiden, wann und ob sie in den Beruf zurückkehren. Nur 13 Prozent der Mütter mit kleinen Kindern nehmen ihre Vollzeitstelle wieder auf. Die Mehrheit, rund 60 Prozent, entscheiden sich für eine Teilzeitstelle, daneben übernehmen sie hauptsächlich die Haushaltsarbeit. Fast 30 Prozent der Frauen bleiben in den ersten sechs Jahren ganz zu Hause als Mutter und Hausfrau – darunter auch die 50 000 gut ausgebildeten Frauen, die letzten Sommer für mediale Empörung sorgten. Milliarden von Staatsinvestitionen gingen auf diese Weise verloren, lautet die Klage. Anders sieht es bei der Erwerbsarbeit der Männer aus: 86 Prozent arbeiten weiterhin Vollzeit, nur rund 12 Prozent sind teilzeitlich angestellt. Bloss 2 Prozent werden Hausmann.

Diese familiäre Rollenteilung beruht grösstenteils noch immer auf gesellschaftlichem Konsens. Mütter seien besser geeignet, für ihre Kinder zu sorgen, Fremdbetreuung durch Krippen wirke sich in den ersten Lebensjahren negativ aus, Väter hätten für den Unterhalt der Familie zu sorgen. Zusätzlich wird der fehlende Vaterschaftsurlaub als Grund aufgeführt, weshalb sich die Männer in der ersten Zeit der Familiengründung nicht «einklinken» können.

Hier tritt die Politik auf den Plan. Mitte-Links fordert schon seit längerer Zeit einen Vaterschaftsurlaub in der Schweiz. Die Modelle reichen von Kürzungen des 14-wöchigen Mutterschaftsurlaubs zugunsten der Väter, wie es der junge FDP-Vater Andrea Caroni fordert, hin zu grosszügigen Rundum-sorglos-Paketen von 18 Monaten, wie es sich die grüne Mutter Aline Trede nach deutschem Vorbild vorstellt. Dort nutzen manche Eltern die freie Zeit praktischerweise für eine Weltreise mit Baby. Eine ganze Industrie von Ratgebern bis zu spezialisierten Reisebüros hat sich schnell etabliert.

Die Forderung des CVP-Vaters Martin Candinas nach einem Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen, der vor kurzem die vorberatende Kommission des Nationalrats zugestimmt hat , scheint ein Mittelweg zu sein. Die Kosten von 190 Millionen Franken pro Jahr, die sich aus der Erwerbsersatzordnung finanzieren sollen, erachtet selbst die HSG-Ökonomin Monika Bütler , die sonst nicht für staatliche Unterstützungsleistungen plädiert, als «vertretbar». Ihr Argument: Statt nur die Renten der Alten zu sichern, dürften auch die Jungen nicht vergessen gehen. Die Finanzierung ist laut Candinas mit den Überschüssen der Erwerbsersatzordnung sichergestellt. Statt Steuern einzusparen, will der CVP-Mann den Sozialstaat lieber weiter bewirtschaften – auf Kosten aller.

Zwei Wochen Vaterschaftsurlaub? Mit Verlaub, das ist ein Witz und reicht bei weitem nicht aus, damit Väter eine Bindung zu ihren Kindern aufbauen oder eine aktivere Rolle in der Familie einnehmen könnten. Es mag eine Starthilfe sein, mehr nicht. Was passiert nach diesen beiden Wochen? Wer meint, bloss zwei Wochen Vaterschaftsurlaub würden das traditionelle Rollenbild aufbrechen, der irrt. Zudem ist das sicher kein staatlich zu verfolgendes Ziel, sondern muss dem gesellschaftlichen Wandel überlassen werden. Auch ein deutlich längerer Urlaub brächte nichts, solange die Männer die Karriere dem Kind vorziehen und dies von den Müttern, die den Vater nach wie vor als Versorger sehen, auch so gewünscht ist. Wenn Väter sich wirklich mehr um ihre Kinder kümmern wollten, dann müsste die Zahl derer, die Teilzeit arbeiten, um einiges höher sein. Wenn es den jungen Eltern am Herzen läge, dass auch die Väter ihre Kinder aufwachsen sehen, würden sie sich dann nicht einfach für eine partnerschaftlichere Aufteilung der Betreuung entscheiden, ganz ohne staatlich verordneten Urlaub? Bei Frauen scheint es mit der Teilzeitarbeit ja auch zu funktionieren. Stellt sich die Frage, weshalb dies bei den Männern nicht gesellschaftsfähig ist.


Keine Gleichmacherei auf Staatskosten

Die heutige Familienpolitik kennt ein Leitthema: Gleichstellung. Alle sollen gleiche Rechte und Pflichten haben, Mütter und Väter, Schwule und Lesben, Kinder von Unverheirateten und Kinder aus Regenbogenfamilien. Auch der Vaterschaftsurlaub ist eine Forderung, die den Vätern die gleichen Freiheiten wie den Frauen einräumen soll. Daran ist nichts falsch, solange nicht der Staat für die Freiheit aufkommen muss, die sich im Grunde jeder Vater schon heute nehmen könnte. Arbeitgeber sollten den Vätern zudem die gleichen flexiblen Arbeitsmodelle zugestehen, die für Mütter selbstverständlich sind. Ein freiwilliger Vaterschaftsurlaub liesse sich problemlos via Sozialpartnerschaft durchsetzen und könnte Arbeitgeber attraktiver machen.

Woran es mangelt, ist ein Umdenken. Erst dann gilt es für Väter als genauso normal, Kinder zu betreuen, wie den Kinderwagen durch die Stadt zu schieben. Das lässt sich aber staatlich nicht verordnen und braucht Zeit. Es ist die Aufgabe eines jeden Paares, sein individuelles Familienmodell zu finden. Wie ein Vater und eine Mutter ihre Elternschaft definieren, soll nicht neuen Gesellschaftsnormen unterworfen werden, die vermeintliche Freiheiten bringen, aber letztlich bloss neue sozialstaatliche Diktate sind.


Mit freundlicher Genehmigung der NZZ.