Bildung

Es wäre grundfalsch, aufgrund einer Krise in der Bildung zu sparen

Die Zürcher Unternehmerin und Politologin Carolina Müller-Möhl über Bildung als Erfolgsfaktor, die Notwendigkeit einer Bildungslobby und eine Bildungspolitik, die auch die Leistungsstarken fördert.


Frau Müller-Möhl, was bedeutet für Sie Erfolg?

Carolina Müller-Möhl: Erfolg ist, wenn man mit Engagement und Fleiss ein Ziel erreicht, das man sich selber gesteckt hat. Mehr Autonomie und Befriedigung sind der Lohn dafür. Erfolge helfen auch, Misserfolge zu verdauen. Gerade aus diesen kann man aber viel lernen. Dass Bildung in unserer globalisierten Informationsgesellschaft immer wichtiger wird, ist schon fast eine Binsenwahrheit. Ist eine gute Bildung für alle angesichts der Wirtschaftskrise in Gefahr? Die Gefahr besteht, denn es kommen vermutlich harte Zeiten mit neuen Sparprogrammen auf uns zu. Es wäre aber grundfalsch, auf Grund einer Krise in der Bildung zu sparen. Das Gegenteil ist angesagt: Denn Bildung ist eine unvergleichlich ergiebige Ressource. Gerade hat Barack Obama in seiner Antrittsrede auf ihre Relevanz hingewiesen, und Angela Merkel hat kürzlich klipp und klar gesagt: Wohlstand für alle heisst Bildung für alle.


Oft ist zu beobachten, dass es nicht die Menschen mit der besten Bildung am weitesten bringen, sondern die Schlauen, die Rücksichtslosen, die Vernetzten, die Privilegierten oder die Glückspilze. Ist Bildung nicht bloss ein Puzzleteil unter vielen für ein erfolgreiches Leben?

Doch, das kann ich bestätigen. Zum Erfolg gehört auch ein bisschen Glück und sicherlich auch die nötige Durchsetzungskraft. Aber Bildung ist nicht nur ein Puzzleteil unter vielen, sondern ein sehr entscheidendes: Sie schafft Orientierung, sie erlaubt es, Prioritäten zu setzen, und nicht zuletzt schafft sie die Grundlagen für ein ständiges, lebenslanges Lernen.


Wie muss eine zukunftsweisende Bildung beschaffen sein? Wie muss man mit seiner Bildung umgehen, um nachhaltigen Erfolg zu haben?

Das Bildungssystem muss qualitäts- und kostenbewusst sein, und es muss eine hohe Durchlässigkeit aufweisen. Nur so kann es Talente optimal ausschöpfen und zu einer Haltung des lebenslangen Lernens hinführen. Wir müssen in der Schweiz von den Besten lernen wollen und offen sein für Innovation und Veränderung.


Die westliche Gesellschaft nimmt für sich in Anspruch, den höchsten Bildungsstandard und die besten Bildungseinrichtungen auf der Welt zu besitzen. Ist das ein alter Zopf?

Wenn man die Pisa-Ergebnisse zum Massstab nimmt, dann gilt das nicht für alle Länder und auch nicht für alle Fachrichtungen. Wir müssen uns bewusst sein, dass die verfügbaren Daten historisch kaum verglichen werden können. Dazu kommt, dass die Bildungssysteme sehr unterschiedlich sind und besondere Qualitäten nicht einfach numerisch gemessen werden können.


Soll die Wirtschaft die Bildung vor Ort fördern oder einfach auf dem globalen Arbeitsmarkt die guten Köpfe rekrutieren, die sie braucht.

Wir können uns keine Bildungspolitik leisten, die an der Wirtschaft beziehungsweise am Arbeitsmarkt vorbeizielt. Auf der anderen Seite sollte sich die Wirtschaft um Bildung kümmern, sie sollte ihre Bedürfnisse artikulieren und die Verantwortung nicht ausschliesslich dem Staat überlassen.


Wie werden die Schlechtqualifizierten in einer vollends globalisierten Zukunft leben?

Ich befürchte, dass es für sie schwieriger werden könnte. Entsprechend scheint mir wichtig, dass in der Schweiz alle Schülerinnen und Schüler eine Chance auf Bildung bekommen, egal, welchen familiären Hintergrund sie haben. Aus diesem Grund sind die Frühförderung, die Durchlässigkeit und auch das private Engagement für Bildung so entscheidend.


Zu guter Letzt: Was versprechen Sie sich vom neuen «Swiss Talent Forum»?

Ich hoffe, dass sich diese Plattform weiterentwickeln wird. Dass sich die jungen Menschen, die sich hier kennen gelernt haben, zusammenschliessen, eine Bildungslobby gründen und sich einsetzen für eine Bildungspolitik, die auch die Leistungsstarken stützt und fördert.

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