Bildung

F. Siegfried – Warum schon 12-Jährige einen Lohn erhalten sollen

Mit dem Jugendlohn müssen mein Bruder und ich unsere Ausgaben selber einteilen», erklärt Jan Lukas Lehmann aus Wohlen AG. Seit drei Jahren bekommt der 17-Jährige von den Eltern 400 Franken pro Monat. Der Kantonsschüler isst auswärts in Aarau, finanziert sich die Fahrkosten, kauft Kleider, begleicht Handy-Rechnung, Coiffeur wie auch Ausgang, Sport, Velo – und spart. Die Höhe des Betrags stammt nicht aus der Budgetberatung, sondern entspricht seinem Alltag: Alle Kosten wurden addiert, durch zwölf geteilt – der monatliche Jugendlohn.

«Die Eltern bezahlen uns Versicherungen, Schulgebühren, Schulbü- cher, Essen daheim und Familienferien», sagt Jan Lukas. «Den Lohn meiner Söhne müssen wir jedes Jahr den Bedürfnissen anpassen», erklärt Vater Mark Lehmann (46). Der jüngere Sohn Jonas bekommt Jugendlohn, seit er zwölf Jahre alt ist: Heute ist er 14 und erhält 200 Franken. «Es nervt, wenn Ende Monat noch eine Rechnung kommt und man kein Geld mehr hat – aber so wird es immer im Leben sein», seufzt der Bezirksschüler.

«Damit fördern wir die Eigenverantwortung der Kinder», betont Mutter Sandra Lehmann (46). «Wir müssen ihnen vertrauen, Jonas 200 Franken zu überlassen, ist nicht wenig.»

Beide Söhne schätzen die Freiheit und haben begriffen, dass sie durch die Selbstverantwortung viel lernen – zumal ihr Lohn knapp kalkuliert ist. «Man sollte nie mehr als 50 Franken im Portemonnaie haben – Geld bekommt Beine», doziert Jonas.

Andrea Fuchs, Präventionsverantwortliche der Schuldenberatung Aargau-Solothurn, plädiert für das Modell: «Kinder und Jugendliche lernen, dass ihr Budget für notwendige Anschaffungen und Konsumwünsche begrenzt ist.»

Oft wissen Eltern nicht, wie viel Geld sie für die Kinder ausgeben. Dass der Jugendlohn alles verändert, erlebt Fuchs in der Praxis: «Nur mit Sackgeld allein lernt kein Jugendlicher, bewusst mit Geld umzugehen.»

Soeben ist die Wirksamkeit des Jugendlohns von der Hochschule Luzern wissenschaftlich bestätigt worden. Die Studie zeigt, dass er sich auch für Familien mit kleinem Budget eignet. Die Idee dazu hatte einst der Zürcher Familientherapeut Urs Abt. Er musste schon vor 40 Jahren miterleben, wie Geldfragen Familien zerstörten: «Ist das Verhältnis zwischen Jugendlichen und Eltern getrübt, kann sich das bis ins hohe Alter der Eltern auswirken.» Er schlug vor, Kindern gewisse finanzielle Kompetenzen abzugeben. Urs Abt: «Ideal ist das Alter von zwölf Jahren, sie lernen schneller als in der Pubertät, danach ist ihr Leben komplizierter, der Finanzdruck grösser.»

Abt erlebte Zwölfjährige als engagierte Minikapitalisten. Dazu gehört auch ein sorgfältiger Umgang mit Kleidern. Alles, was kaputtgeht, belastet das Budget.

Mit der Studie ist das Modell anerkannt, und der neue Verein Jugendlohn hat auf www.jugendlohn.ch Tipps aufgeschaltet. «Eltern müssen sich umstellen, der Jugendlohn ist ein Antiverwöhnprogramm, das zu Selbständigkeit und Verantwortung führt», sagt Urs Abt.


Mit freundlicher Genehmigung des Blick.

Siegfried, F. (2014).

Warum schon 12-Jährige einen Lohn erhalten sollen.

Blick am 17.11.2014.