Vereinbarkeit Beruf und Familie

Frauenquote: Chefinnen sind sich uneinig


Zur Debatte: In der Schweiz sind nur vier von 115 CEOs Frauen. Doch selbst Wirtschaftsfrauen versprechen sich wenig von einer Quotenregelung.


EU-Grundrechtekommissarin Viviane Reding will nicht mehr länger warten und zusehen, ob Unternehmen Frauen auf freiwilliger Basis fördern. Sie denkt laut über eine Quotenregelung per Gesetz nach, um mehr Frauen in Spitzenpositionen zu bringen (az vom 6.3.).

Auch in der Schweiz ist der Frauenanteil in Verwaltungsräten und Geschäftsführungen tief. Gemäss dem schillingreport 2011 macht der Anteil in Geschäftsleitungen gerade mal fünf Prozent aus. Nur 4 von 115 CEOs sind Frauen; das entspricht drei Prozent. In den Verwaltungsräten ist jeder zehnte Sitz von einer Frau besetzt. Die Berufung einer Frau auf den Chefposten eines grossen Konzerns sorgt damit hierzulande nach wie vor für Aufsehen. Trotzdem ist die Diskussion über die Einführung einer solchen Quote in der Schweiz lau.

Eine kleine Umfrage unter Frauen, die es auch ohne Quote in Top- Positionen geschafft haben, zeigt: Sie sind in dieser Frage gespalten. Als Befürworterin einer Frauenquote outet sich Jeannine Pilloud, Chefin Personenverkehr bei den SBB: «Teams, die in ihrer Zusammensetzung die Verschiedenheit der Belegschaft repräsentieren, sind langfristig nachweislich erfolgreicher. Da wir in unserem Land hier Nachholbedarf erkennen, helfen klare Vorgaben, um das Ziel in absehbarer Zeit zu erreichen.»

Antoinette Hunziker-Ebneter, CEO der Vermögensmanagementgesellschaft Forma Futura Invest AG, befürwortet eine zeitlich begrenzte Quotenregelung: «Bis in den Unternehmen in der Schweiz 30 Prozent Frauen in den Verwaltungsräten vertreten sind, bin ich für eine vorübergehende Einführung der Frauenquote. Wenn dies erreicht ist, kann sie wieder abgeschafft werden.» Dann liege es an den Frauen, dass sie aufrechterhalten werde.

«Taten statt Quoten» Skeptischer äussert sich Nadja Lang, Geschäftsleiterin der Max Havelaar Stiftung Schweiz: «Taten statt Quoten! Studien beweisen die bessere Performance von gemischten Führungsteams, die Schweizer Wirtschaft muss diesen Wettbewerbsfaktor aktiv nutzen. Es müssen eine gezielte Suche und Förderung von talentierten Frauen sowie ein gesellschaftliches Umdenken stattfinden. Die Quote ist das letzte Mittel.»

Auch Isabelle Welton, CEO von IBM Schweiz, appelliert an die Wirtschaft, aktiv zu werden: «Unternehmen müssen sich messbare Ziele setzen. Denn nur was gemessen wird, wird auch umgesetzt. Bei IBM setzen wir dazu Scorecards ein. Ich sehe es nicht als Aufgabe des Staates, eine Frauenquote einzuführen.» Und Carolina Müller-Möhl, Präsidentin der Müller-Möhl Group und Mitglied der Verwaltungsräte von Nestlé, NZZ, und Orascom, fordert statt einer Quote bessere Strukturen. «Geeignete Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie würden eine Quote überflüssig machen. Dafür müssen aber Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Medien, die Frauen selbst und ihre Partner an einem Strick ziehen», so Müller- Möhl. Denn auf das wertvolle Potenzial an qualifizierten und kompetenten Frauen zu verzichten, könne sich die Schweizer Volkswirtschaft nicht leisten.

«Frauen verjüngen das Gremium» Michèle Etienne hat sich die Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsgremien mit ihrer Firma GetDiversity zum Berufsziel gemacht. Sie steht einer Quotenregelung skeptisch gegenüber: «Das Beispiel Norwegen zeigt, dass sich zwar der Anteil von Frauen in den börsenkotierten Firmen bei knapp 40 Prozent eingependelt hat. Leider gibt es aber keinen Nachahmungseffekt in anderen Unternehmen, wo kein Quotenzwang herrscht.» GetDiversity zeige den Mehrwert gemischter Gremien auf: «Mit einer Frau holt man sich in der Regel zwei Effekte: Diversität im Geschlecht und eine Verjüngung des Gremiums.»