Vereinbarkeit Beruf und Familie

Sonntags Zeitung – Zünftige Ausbildung sorgt für stabile Ehe





Eine Studie zeigt, dass Partnerschaften, in denen sich beide auf Augenhöhe bewegen, länger halten





Die Zürcher Zünfter mögen sie nicht, die Frauen. Das heisst, sie mögen sie schon – dann, wenn sie artig am Strassenrand stehen und den Männern in Knickerbockern und dem über dem Bauch spannenden Gilet Blumen überreichen und ein Küsschen auf die Wange drücken. Aber mitmachen lassen am Sechseläuten will man sie nicht. Die Begründungen dafür, die Anfang dieser Woche im «Blick» zu lesen waren, klangen etwas uncharmant; von «militanten Emanzen» war die Rede und davon, die Frauenzunft solle «als reine Frauenorganisation nur ein Handwerk vertreten, nämlich das älteste». Nun, am Sechseläuten ist die Welt eben noch in Ordnung, so aus Zünftersicht: Da stehen die Frauen in der zweiten Reihe und huldigen den Männern. Und so soll das gefälligst auch bleiben.




Weg vom Ernährer, hin zur Gleichberechtigung




Deswegen braucht man sich indes nicht zu grämen. Der Zünfter, jetzt so als Vertreter einer ganz bestimmten Sorte Mann gesehen, ist ein Auslaufmodell. Und weil bei uns immer alles etwas länger dauert, ist diese Spezies halt noch etwas gar präsent und sperrt sich mit aller Kraft gegen sämtliche Neuerungen. Man muss daher Nachsicht üben, gerade auch, weil die neusten Zahlen aus Amerika darauf hindeuten, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis deren Tage endgültig gezählt sind. Das Fachmagazin «American Sociological Review» veröffentlichte nämlich in seiner aktuellen Ausgabe eine grosse Studie, deren Ergebnis so überraschend war, dass vom «Economist» über «Newsweek » bis zur «New York Times» fast alle US-Medien darüber berichteten. Die Studie untersuchte den Zusammenhang von Scheidungshäufigkeit und Bildungsniveau bei heterosexuellen Ehepaaren im Zeitraum von 1950 bis 2009. Und was da bei der Analyse der riesigen Datenmenge herauskam, hatte das Forscherteam um die Soziologieprofessorin Christine R. Schwartz nicht erwartet: Es zeigte sich, dass Ehen, in denen die Frauen gleich gut oder besser ausgebildet sind als ihre Männer, beständiger sind als jene, in denen der Mann besser ausgebildet ist. Konkret: Paare, die zwischen 2000 und 2004 geheiratet hatten und über denselben Ausbildungsstand verfügten, zeigten ein um ein Drittel geringeres Scheidungsrisiko, als wenn der Mann einen höheren Abschluss hat. Diese Entwicklung ist neu – und sie ist bemerkenswert. Sie zeigt, dass da etwas passiert ist zwischen den Geschlechtern, vor allem bei den Männern bezüglich ihres Verhältnisses zu Frauen, denn noch bis vor kurzem legte die Statistik das Gegenteil nahe: Seit die Frauen in den Achtzigerjahren ausbildungsmässig aufzuholen begonnen hatten, galten Akademikerinnen nicht nur als schwerer vermittelbar, sondern nachgerade als Scheidungsrisiko. Den Grund dafür vermuteten Soziologen und Psychologen in einem schlichten Fakt: je höher der schulische Abschluss einer Frau, desto tiefer ihr Marktwert, da es am maskulinen Selbstwertgefühl nage, wenn sich eine nicht die Welt vom Göttergatten erklären lassen wolle und zudem eigenes, oder, Gott bewahre, mehr Geld verdiene. Dem ist offenbar nicht mehr so. Neu gilt demnach: Sich auf Augenhöhe zu begegnen, tut der Beziehung gut. Oder auch: Je egalitärer eine Partnerschaft, desto stabiler ist sie. Das werden die Zünfter gar nicht gern hören. Aber das taten die Amerikaner auch nicht, bis ihnen offenbar nichts anders übrig blieb, als den Tatsachen ins Auge zu blicken und zu erkennen, dass die Losung «Männer heiraten nach unten, Frauen nach oben» nicht mehr länger Gültigkeit hat, weil es rein rechnerisch nicht mehr aufgeht: Bei 60 Prozent der Paare, die zwischen 2005 und 2009 in den USA geheiratet haben, waren die Frauen den Männern ausbildungsmässig überlegen. Christine R. Schwartz erklärt sich diesen Umstand so: «Dieser Trend geht Hand in Hand mit der Absage an den männlichen Ernährer und hin zu einer gleichberechtigten Ehe, in der offenbar der erhöhte weibliche Status für die männliche Identität keine so grosse Gefahr mehr darstellt. » Sprich: Die Amerikaner haben sich daran gewöhnt, dass die Amerikanerinnen nicht länger Heimchen am Herd sind – und haben kein Problem damit.




In der Schweiz ändern sich die traditionellen Rollenmuster




Für die Schweiz gibt es keine Zahlen, was die Korrelation von Scheidungshäufigkeit und Bildungsstand von Ehegatten angeht. Trotzdem lässt sich aus dem Material des Bundesamtes für Statistik einiges herauslesen, zum Beispiel: In der Altersgruppe der 25- bis 35-Jährigen ist der Anteil der Frauen mit einem Hochschulabschluss mittlerweile höher als bei den Männern: 15 Prozent bei den Frauen, 13 Prozent bei den Männern. Das wiederum hat Auswirkungen auf die Paarbildung; im Jahr 2012 war nur noch in drei von zehn Paarhaushalten die Ausbildung des Mannes höher als diejenige der Frau. Der Anteil der Paare, in denen der Mann eine höhere Ausbildung hat, ist seit 1990 um 7 Prozent zurückgegangen: auf eben 30 Prozent. Der Anteil der Paare mit gleichem Bildungsstand ist von 56 Prozent auf 59 Prozent gestiegen und bei den Paarungen, bei denen die Frau einen höheren Ausbildungsstand hat, ist der Anteil von 7 auf 11 Prozent gestiegen. Das Bundesamt für Statistik schreibt dazu: «Die Entwicklung seit 1990 weist in Bezug auf den höchsten Bildungsstand der Partner eindeutig eine Aufweichung des traditionellen Musters der Paarzusammensetzung hin.» Irgendwann wird auch das traditionelle Muster des Sechseläutens dieser Aufweichung zum Opfer fallen.



B., Weber. (2014).

Zünftige Ausbildung sorgt für stabile Ehe.

In: Sonntagszeitung, 03. August 2014.