Bildung

Zum Glück beste Freunde


Kolumne von Carolina Müller-Möhl

Reichtum, Erfolg, Ansehen. Das ist der Dreiklang zum Glück glaubt laut Umfragen die junge Generation. Eine Langzeitstudie zeigt etwas ganz anderes.

Das Streben nach Glück ist so alt wie die Menschheit und die Frage „wie führe ich ein glückliches Leben?“ eine, die wir uns im Laufe unseres Lebens immer wieder stellen. Ich zuletzt anlässlich meiner Matura-Festrede an einem Züricher Gymnasium. Stehen doch die Maturandinnen und Maturanden an der Schwelle zu einem neuen Lebensabschnitt. Ein guter Moment, ihnen ein, zwei Gedanken zum Glück mit auf den Weg zu geben.

Zwar ist kaum etwas so persönlich wie das Glück. Es ist nicht berechenbar, launisch und flüchtig. Doch was so essentiell ist, kann sich der Neugier der Wissenschaftler nicht entziehen. Und so werden das Wesen des Glücks und der Zusammenhang von Erfolg und Glück schon seit langem erforscht. Menschen auf der ganzen Welt werden dazu befragt.

Eine Studie, die vom Netzwerk für nachhaltige Entwicklung der UNO verfasst wurde, befragte Bürger aus über 150 Länder wie glücklich sie sind. Dabei liegt die Schweiz hinter Dänemark an der Spitze der Rangliste. Wenig überraschend finden sich mehr glückliche Menschen in jenen Regionen, in denen die Lebensbedingungen gut und die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse stabil sind. Eine andere Untersuchung, der Millennial-Report, fragte Jugendliche, was für sie ein glückliches Leben ausmache. Im Zeitalter von Social Media, begleitet vom permanenten Wunsch nach Aufmerksamkeit, hat die Generation Y – no wonder – eine klare Vorstellung von den Ingredienzen, aus denen ein Glückscocktail gemixt sein muss: Reichtum, Erfolg und Ansehen.

Zu einem ganz anderen Ergebnis kommt – zum Glück – die sogenannte Harvard-Studie, die sich schon seit 1938 mit dem Wesen des Glücks beschäftigt. Am Anfang der 75-jährigen Studie stand die ebenso simple wie komplexe Frage: Was macht uns glücklich und hält uns gesund auf unserem Weg durch das Leben?

Für diese weltweit einmalige Untersuchung wurden 724 Männer ausgewählt, die in regelmässigen Abständen zu ihrem Leben und ihrer Gesundheit befragt wurden. Eine Gruppe der Forschungsteilnehmer bestand aus Harvard Studenten, die andere rekrutierte sich aus jungen Männern, die in den ärmsten Vierteln von Boston zuhause waren. Von den ursprünglich 724 Männern leben heute noch knapp 60. Die meisten sind über 90 Jahre alt. Der Psychiater Robert Waldinger leitet die Studie bereits in der vierten Generation. Aus den tausenden von Interviews – inzwischen wurden auch die Partnerinnen der Probanden und deren Kinder in die Studie aufgenommen – konnte er einige simple Wahrheiten herausdestillieren.

Die Studie sagt: Weder Reichtum, noch Erfolg, noch Ansehen machen uns glücklich. Es sind die sozialen Beziehungen, die unser Glück langfristig bestimmen und uns auch gesünder halten. Diejenigen zu unserer Familie, zu unseren Freunden und in unserem Umfeld. Einsamkeit und Isolation machen unglücklich. Einsame Menschen sterben früher und ihr Gehirn altert schneller.

Nicht die Quantität zählt, wenn es um unsere Beziehungen geht, halten die Wissenschaftler der Studie fest, sondern die Qualität. Tiefe ist wichtiger als Breite. Liebevolle Bindungen tragen zum Glück bei und schützen unsere Gesundheit. Wer auf andere zählen kann, bleibt neugierig und wissensdurstig. Das gilt für Wohlhabende und Erfolgreiche – wie viele der befragten Harvard Absolventen – sowie für die Gruppe, die in bescheidenen Verhältnissen aufwuchs und ihr Glück und Selbstwertgefühl weder aus einem grossen Ansehen noch beruflichen Erfolgen schöpfen konnte.

Das Resultat der Harvard-Studie war eine Ideale Botschaft für meine Festrede: Klar sollen die jungen Maturandinnen und Maturanden ambitioniert sein, zielstrebig und motiviert. Und klar, können ihnen berufliche Erfolge, öffentliche Wertschätzung oder ein guter Bonus Glücksmomente bescheren. Aber das nachhaltige Glück liegt in den gelebten Freundschaften. Es braucht beste Freunde zum Glück. Das ist spätestens seit der 75-jährigen Harvard Studie wissenschaftlich bewiesen.



Erschienen in der Schweiz am Sonntag vom 10. Juli 2016