Denn sie wissen, was sie tun
Kolumne von Carolina Müller-Möhl
Innerhalb einer Stunde sammelte vor zwei Wochen die American Foundation for Aids Research (amfAR) an ihrer Gala in Antibes 30 Millionen Euro für die Forschung im Kampf gegen Aids. Die Spender waren Hollywood-Stars wie Leonardo DiCaprio oder Diane Kruger, die während der «amfAR Gala» Kunst ersteigerten. Diese spektakuläre Auktion persönlich mitzuerleben, war beeindruckend.
Aber nicht nur Hollywoodstars engagieren sich für gesellschaftspolitische Themen. Viele andere tun es auch: Alex, der siebenjährige aus der Nachbarschaft, der Unternehmer und Gründer des Medizinalunternehmens Synthes, Hansjörg Wyss, das Ehepaar Bill und Melinda Gates oder die 52-jährige Heidi aus Zürich.
Alex verkaufte selbst gebackenen Lebkuchen im Quartier. Seine Klasse sammelte Geld für syrische Flüchtlinge. Hansjörg Wyss überwies der ETH Zürich Foundation 120 Millionen US-Dollars. Dieser Betrag kommt einem neuen transnationalen Forschungszentrum an der Schnittstelle zwischen Medizin, Natur- und Ingenieurwissenschaften zu Gute. Die Stiftung von Bill und Melinda Gates hat sich unter anderem der Malaria-Bekämpfung verschrieben. Heidi aus Zürich spendete 50 Franken für die Opfer des Erdbebens in Nepal. Zudem schenkt sie älteren Menschen einmal in der Woche Mobilität: Sie fährt sie mit dem Auto zum Arzt.
Egal also ob man sich für Weltkrisen, die Förderung des Standortes Schweiz oder die Nachbarschaftshilfe stark macht, die Anliegen sind stets individuell. Ebenso persönlich sind die zur Verfügung stehenden Mittel. Die Grösse des Beitrages spielt dabei keine Rolle. Was zählt und wirkt ist das Engagement per se. Denn manchmal kann wenig viel sein oder viel als wenig erscheinen. So stehen nicht immer Geld- und Spendenbeträge im Zentrum. Frau und Mann widmen Mitmenschen oder Themen, die Ihnen am Herzen liegen, vor allem Zeit, stellen eigenes Wissen und ihr Netzwerk zur Verfügung oder setzen sich persönlich für sie ein. Ihr Einsatz für die Allgemeinheit gestaltet sich je nach Möglichkeiten unterschiedlich.
In der Schweiz ist ehrenamtliche Arbeit nicht nur für unser gesellschaftliches Zusammenleben relevant. Auch für jeden einzelnen hat sie einen unbezahlbaren Wert: Freiwilligenarbeit stiftet Wertschätzung und macht glücklich. Das bestätigt die Forschung. Die Universität Zürich und die ETH kamen zudem zu einem weiteren überraschenden Resultat: Berufstätige, die nebenbei ehrenamtlich arbeiten, können ihr Privat- und Berufsleben besser vereinbaren. Es ist eindeutig; Die positiven Aspekte des sozialen Engagements überwiegen.
Zum gleichen Schluss kommt auch der Organisationspsychologe Adam Grant in seinem 2013 veröffentlichten Bestseller «Geben & Nehmen»: Geber teilen grosszügig ihr Wissen, ihre Zeit, ihr Netzwerk und ihre Ideen und ziehen daraus eine innere Befriedigung. Das macht sie längerfristig erfolgreicher und erfüllter. Sie erhalten zwar keinen finanziellen, aber einen sozialen «Return on Investment».
Umso erstaunlicher ist es, dass die Freiwilligenarbeit in der Schweiz auf dem Rückzug ist. «Während sich 1997 jeder Zweite freiwillig engagierte, tat dies 2010 nur noch jeder Dritte», schreibt Patrik Schellenbauer in einer Studie von Avenir Suisse. Liegt dies an den notorischen Neidern und Egoisten, die sich an der Zürcher Goldküste mit Champagnerglas in der Hand, neustem Täschchen am Arm und schnellen Autos in der Garage über engagierte Philanthropen lustig machen? Sind die Gründe für den Rückgang bei den Managern zu suchen, die ihren Verdienst lieber ganz für sich ausgeben als weniger Privilegierte zu unterstützen? Oder haben wir heute einfach zu wenig Zeit, uns zu engagieren?
Die Realität sieht anders aus, wie das verschiedene Studien belegen. Philanthropisch tätig sind vor allem gut ausgebildete Leute mit hohem beruflichen Status – also gerade die Menschen, die aufgrund von privaten und beruflichen Verpflichtungen wenig Zeit haben.
Allen, die ihre Zeit, ihr Netzwerk, Wissen und Kapital bis heute nur für sich selbst verwenden, lege ich ans Herz: Engagieren Sie sich in irgendeiner Form. Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung versichern, Sie werden damit glücklich. Ganz nach dem Motto das Eine tun und das Andere nicht lassen. Die Freude an der Philanthropie lässt sich sehr wohl mit einer neuen Handtasche am Arm und einem Glas Champagner in der Hand feiern.