Vereinbarkeit Beruf und Familie

Der Krippen-Wahnsinn


Wie der Staat die Vereinbarkeit von Beruf und Familie behindert

Wer möchte nicht, dass unsere Kinder in der besten aller Welten aufwachsen? In der Schweiz, einem Land, das höchste Qualität und präzise Regeln praktisch in seiner DNA des Landes gespeichert hat, gilt dies besonders für die Fremdbetreuung unserer Kinder. Das haben auch unsere Parteien, Verbände und Institutionen gemerkt. Sie setzen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zuoberst auf ihre Agenda.

Eigentlich ist das eine erfreuliche Tatsache. Doch es hilft leider jenen nichts, die die Angebote für die Betreuung unserer Kinder zur Verfügung stellen.

Wer als Privater eine Kinderkrippe betreiben will, der verheddert sich rasch in einem bürokratischen Dschungel. Bund, Kantone und Gemeinden: Alle haben ihre eigenen Vorschriften, die es unbedingt einzuhalten gilt. Das führt zu teils absurden Situationen.

Es beginnt bei den Zahlen. Nach wie vor fehlt es an verlässlichen Angaben, wie viele Krippen- und Betreuungsplätze es in der Schweiz überhaupt genau gibt. Sicher ist nur, dass durch die immer dringender werdende Forderung nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf bereits einiges an Geld in die Unterstützung der Krippen und Eltern geflossen ist. Allein der Bund hat in den letzten zehn Jah- ren mit seinem befristeten Impulsprogramm für familienergänzende Kinderbetreuung rund 250 Millionen Franken in die Schaffung von insgesamt 40.000 Krippenplätzen investiert.

Auch das eidgenössische Parlament erkannte 2010 den zunehmenden Bedarf an externer Kinderbetreuung – und verlängerte das Impulsprogramm um weitere vier Jahre bis Ende 2015. Der Bedarf ist nach wie vor groß: Im zehnten Jahr des Impulsprogramms wurden 384 Gesuche um Unterstützung eingereicht.

Das war offensichtlich zu viel des Guten. Im Dezember 2012 erließ das Innendepartement von Bundesrat Alain Berset eine neue Verordnung. Bei der Vergabe der Mittel würden „neue Prioritäten“ gesetzt, heißt es da. Hintergrund des Kurswechsels war die Tatsache, dass von den 120 Millionen Franken Ende 2012 nur noch gerade rund 30 Millionen übrig waren – der Topf war also drei Jahre zu früh praktisch geleert worden.

Obwohl die neue Prioritätenordnung erst für Gesuche, die am 1. Januar 2013 oder später eingereicht wurden, gelten soll, fühlen sich die privaten Organisationen – meiner Ansicht nach zu Recht – von der abrupten Kursänderung vor den Kopf gestoßen. Denn der Bund beurteilt, wie aus gut unterrichteten Quellen zu hören ist, sogar Gesuche, die vor 2013 eingereicht wurden, nach neuen Kriterien; die Amtsstellen bestreiten das.

Was aber sicher ist: Im allerschlimmsten Fall müssen die Betreiber die geleisteten Vorinvestitionen abschreiben und bereits eröffnete Kinderkrippen wieder schließen.

Der Staat verlangt nämlich von den Betreibern, dass sie die benötigte Infrastruktur schon bereitstellen, bevor sie beim Bund das Gesuch für Finanzhilfen einreichen. Zudem müssen sie den Beweis erbringen, dass sie mindestens die Hälfte der künftigen Krippenplätze vor der Krippeneröffnung verkauft haben. Neben den erheblichen Vorinvestitionen braucht es zudem ein pädagogisches Konzept, einen Budgetplan über die nächsten sechs Jahre, ein Unfallkonzept, ein Hygienekonzept und noch vieles andere mehr. Kurz: Es muss einer schon mit sehr viel Willenskraft beschenkt sein, der sich so etwas antun möchte.

Was aber noch schlimmer wirkt: Während der Bund an die privaten Betreiber sehr hohe Anforderungen stellt, ist er seinerseits ein nicht besonders verlässlicher Partner.

Das Impulsprogramm des Bundes ist zwar eine gute Sache, weil dadurch das Angebot an Betreuungsplätzen erhöht und gleichzeitig das unternehmerische Engagement gefördert wird. Wenn nun aber plötzlich die Spielregeln geändert werden, weil das Geld knapp wird, erhöht sich das unternehmerische Risiko der privaten Trägerorganisationen massiv.

Was tun? Es braucht eine ganzheitliche Strategie und pragmatische Regeln, um privaten Trägerorganisationen von Kinderkrippen günstige Rahmenbedingungen zu bieten. Der Flickenteppich aus nationalen, kantonalen und kommunalen Vorschriften macht unternehmerisch gesinnten Frauen und Männern das Leben unnötig schwer.

Damit mich niemand falsch versteht: Ich habe, wie eingangs erwähnt, nichts gegen den typisch helvetischen Qualitätsanspruch. Der Eifer der Behörden darf aber nicht den Unternehmergeist ersticken. Denn ohne ihn ist die Betreuung unserer Kinder außerhalb der Familie nicht mehr gewährleistet.