Bildung

Die Schule muss neue Kompetenzen lehren


Von Carolina Müller-Möhl

. Ja, ich bin gerne in die Schule gegangen. Geschichte hat mich fasziniert, deutsche Literatur – und dann hatte ich das Glück, von einigen grossartigen Lehrpersonen zu profitieren. Das ist matchentscheidend. Als das «Forum Bildung», für das ich mich engagiere, im Herbst 2013 zum ersten Mal den Schweizer Schulpreis vergab, war ich davon begeistert, wie viel Herzblut Lehrer und Lehrerinnen investieren, um auf allen Stufen eine hervorragende Ausbildung sicherzustellen.

Doch heute sind andere Fähigkeiten gefordert als zu meiner Schulzeit. Durch Google und Wikipedia wird das mühsame Auswendiglernen von Fakten und Daten bedeutungslos. Niemand, der unterrichtet, kann so viel Grundwissen speichern wie diese digitalen Archive. Klar, dass es damit aber nicht getan ist. Heute geht es vielmehr darum, Zusammenhänge zu verstehen, Informationen richtig einzuordnen, zu interpretieren und zu begreifen, wie eine global vernetzte Welt funktioniert. Diese Kompetenzen müssen unseren Schülern und Schülerinnen mit auf den Weg gegeben werden – in der Schule. Deshalb sollten Schulen konstant an sich arbeiten und sich Herausforderungen wie der Weiterentwicklung der Unterrichtskultur, dem Prüfungswesen oder auch der Attraktivität des Arbeitsplatzes stellen. Wenn ich auf die 18 Finalisten schaue, die sich um den Schweizer Schulpreis beworben hatten, wird klar, dass dies in vielen Schulen bereits heute geschieht. Schulen, die sich auf das individualisierte Lernen eingestellt haben, sind bereit für die Herausforderungen der Zukunft. So die Oberstufenschule Wädenswil, die von 100 Bewerbern den Hauptpreis gewonnen hat. Auch deshalb, weil man dort mit Lernlandschaften in Gruppen Wissen vermittelt. Die Jugendlichen lernen im Team – genauso wie sie später draussen im Leben lernen und arbeiten. Eigenverantwortliches Lernen und aktive Beziehungsarbeiten statt passives Empfangen sollen vermittelt werden. Das ist die Zukunft der Wissensvermittlung und -erarbeitung.

Um in der Welt von morgen bestehen zu können, sind viele Kompetenzen gefragt. Eine, die mir besonders am Herzen liegt, ist der richtige Umgang mit Geld: Financial Literacy. Eine aktuelle Studie der Hochschule Luzern befasst sich mit der Frage, ob es wirksame präventive Massnahmen gibt, um junge Menschen davor zu bewahren, in eine gefährliche Verschuldungsspirale zu geraten, aus der sie oft ein Leben lang nicht mehr herausfinden. Nicht überraschend ist die Erkenntnis, dass eine konsumorientierte Wertehaltung des persönlichen Umfelds – auch der Eltern –, fehlendes Selbstbewusstsein sowie mangelnde Selbstkontrolle das Überschuldungsrisiko erhöhen. Viel spannender ist aber die Tatsache, dass nicht etwa Konsumkredite die Hauptursache für eine Verschuldung junger Menschen sind, sondern unbezahlte Rechnungen – vor allem bei den Steuern. Junge Menschen geben – via Internet und auf Pump – Geld aus, das sie weder haben noch in absehbarer Zeit verdienen. Sie sind sich weder der Konsequenzen ihres Verhaltens noch der allgemeinen Lebenskosten bewusst und sind daher in Gefahr, sich schon früh zu verschulden. Es fehlen der Lerneffekt und das Wissen der jungen Generation um die wirtschaftlichen Mechanismen und den Umgang mit Geld. Bei diesem Thema sind unsere Schulen leider noch nicht fit.

Avenir Suisse-Ökonom und ETH-Dozent Marco Salvi, der sich mit Financial Literacy befasst, stellte in einem Interview nüchtern fest: «Verschiedene Studien attestieren Schülern schlechte wirtschaftliche Grundkenntnisse. » Für mich ist klar, dass das Verständnis der wirtschaftlichen Zusammenhänge und der Umgang mit Geld an der Schule genauso unterrichtet werden müssen wie etwa Geographie und Geschichte. Denn Wirtschaft betrifft uns alle – alle, die wir arbeiten, sparen, konsumieren, investieren, kaufen, verkaufen. Und deshalb liegt es in unserer aller Verantwortung, der jungen Generation das Verständnis darüber mit auf den Weg zu geben.

Das Schweizer Schulsystem ist nach wie vor Weltspitze und es fehlt nicht am Bewusstsein, dass Bildung unser wichtigster Rohstoff ist. Aber es ist entscheidend, dass wir den Lehrstoff immer wieder überprüfen und uns stetig weiterentwickeln. Deshalb engagiere ich mich für den Schweizer Schulpreis: Mit ihm sollen die vielen tollen Schulen unseres Landes gewürdigt werden – und sie sollen mit ihren Ideen Vorbilder sein.


Erschienen in der Zeitschrift „Wir Kaufleute“ am 1. Mai 2014