Standortförderung

Durchhaltewille ist wichtiger geworden


Trotz der schwierigen Wirtschaftslage ruft die Jurypräsidentin des Swiss Economic Award Jungunternehmer dazu auf, ihre eigene Firma zu gründen. Der Wirtschaftsnachwuchs sei gut aufgestellt, ist die Präsidentin der Müller-Möhl Group überzeugt.

Interview: Pascale Ihle


Lassen sich Jungunternehmerinnen durch die Wirtschaftskrise entmutigen?

Carolina Müller-Möhl: Nein, im Gegenteil. Wir hatten letztes Jahr sogar einen Gründerboom in der Schweiz. Die aktuelle Situation macht es für die Jungunternehmen aber sehr anspruchsvoll. Der Durchhaltewille ist noch wichtiger geworden.


Sind sie zu optimistisch, zu blauäugig?

Müller-Möhl: Generell würde ich das nicht so sagen. Es ist wohl etwas vom schwierigsten abzuschätzen, wann genau der richtige Zeitpunkt für die Lancierung der persönlichen Geschäftsidee gekommen ist. Aus meiner Sicht sind zwei Dinge sehr wichtig: Erstens sollte man das Marktpotenzial, die Patentsituation und die Differenzierung am Markt sehr gut abklären. Zum Zweiten finde ich es gefährlich und sehr anspruchsvoll, aus einer Notsituation heraus eine Firma zu gründen. Hier besteht die grosse Gefahr, dass eine Geschäftsidee künstlich erfunden wird.


Welches sind die Chancen, die sich Jungunternehmen und Start-ups heute bieten?

Müller-Möhl: Wir stehen in einer Phase des Umbruchs. Wo umgebaut wird, entsteht immer viel Raum für Neues und für Kreatives. Ich kann nur dazu aufrufen, auch positiv zu denken, Chancen zu erkennen und Risiken einzugehen. Viele der bekannten weltweiten Brands haben ihren Ursprung in Zeiten, wie wir sie heute erleben.


Gibt es Bereiche, wo das Potenzial für junge Pioniere besonders gross ist?

Müller-Möhl: Sicher haben Pioniere im Bereich von Präzisionsmaschinen, Hightech usw. grosses Potenzial, weil in diesen Bereichen oft auch sehr schnell internationale Märkte locken. In Rahmen meiner branchenübergreifenden Tätigkeiten habe ich gelernt, dass man mit den guten Rahmenbedingungen in der Schweiz in einigen Branchen erfolgreich sein kann.


Sie sind Präsidentin des Swiss Economic Award. Haben Sie in den letzten Jahren einen bestimmten Trend beobachtet?

Müller-Möhl: Positiv zu erwähnen ist aus meiner Sicht die steigende Professionalität der Jungunternehmerinnen und Jungunternehmer. Auffallend ist auch, wie gut informiert die jungen Persönlichkeiten heute sind, was sicher auch eine Folge der weltweit vernetzten Informationstechnologie und deren intensiven Nutzung ist.


Welches sind gegenwärtig die grössten Risiken für angehende Unternehmer?

Müller-Möhl: Bei den sich negativ und seitwärts entwickelnden Märkten werden Investitionen nur zögerlich getätigt oder aufgeschoben. Jungunternehmen haben noch wenig Substanz bilden können, daher können verzögerte Auftragseingänge rasch zu einer angespannten Lage führen.


Wie schaffen es Start-ups heute doch noch, an Kapital heranzukommen?

Müller-Möhl: Die entscheidenden Faktoren bleiben immer noch dieselben: Innovative Produkte oder innovative Dienstleistungen, eine gute Nischenstrategie mit einer klaren Differenzierung, oder Vorsprung am Markt. Natürlich gehört auch guter Businessplan und eine überzeugende Unternehmerpersönlichkeit zu den wichtigen Punkten, um an Kapital heranzukommen. Für die Finanzierung von überzeugenden Start-ups gibt es in der Schweiz bei Investoren, Unternehmern und Banken nach wie vor genügend Kapital. Zweifellos muss aber wesentlich mehr Überzeugungsarbeit geleistet werden!


Wie bewerten Sie den sogenannten Wissens- und Technologietransfer von den Hochschulen in die Unternehmen?

Müller-Möhl: Es gibt gute institutionalisierte Förderorganisationen wie die Förderagentur für Innovation KTI des Bundes. Hier werden Hochschulen und KMU in konkreten Projekten zusammengeführt, gecoacht, und ein Teil des Aufwandes der Hochschulen wird sogar abgegolten. Natürlich kann man noch mehr tun. Aus meiner Sicht müssten solche Angebote aber vor allem durch die KMU und die Hochschulen besser und aktiver genutzt werden, bevor wir an einen Ausbau denken. Wie bewerten Sie als Jurypräsidentin die Innovationskraft und die Nachhaltigkeit der Unternehmen, die Sie sich näher angeschaut haben? Müller-Möhl: Die Tätigkeit ist sehr inspirierend und motivierend. Die Jungunternehmer, die wir kennen lernen, sind eine Auslese der besten. Hier spürt man die Innovationskraft und das Herzblut der aufstrebenden Persönlichkeiten in einer besonderen Weise. Das Nachhaltigkeitsthema hat in den letzten Jahren immer mehr Bedeutung erhalten und ist heute fast bei allen Jungunternehmen ein wichtiger strategischer Erfolgsfaktor. Unser Wirtschaftsnachwuchs ist gut aufgestellt.


Glauben Sie, dass die Schweizer KMULandschaft gut gerüstet ist für die Zeit nach der Krise?

Müller-Möhl: Aus meiner Sicht haben viele KMU hervorragend und sehr schnell auf die Krise reagiert. Das beweist auch, dass man sich intensiv mit der aktuellen Situation und der Zukunft auseinandersetzt. Ich bin sicher, dass wir im internationalen Vergleich gut abschneiden, auch wenn man heute nicht abschliessend beurteilen kann, wie, wo und wann es wieder aufwärts geht.


Welches sind in Ihren Augen die Stärken des Wirtschaftsstandortes Schweiz?

Müller-Möhl: Wir haben viele Vorteile, auf die wir stolz sein dürfen, denen wir aber auch Sorge tragen müssen. Es sind dies die politische Stabilität unseres Landes mit den gut ausgebauten Sozialwerken. Erwähnen möchte ich auch den hohen Bildungsstand, der eine wichtige Basis für die Innovationskraft gerade in der Elektround Maschinenindustrie, in der Medizinaltechnik und der Pharmaindustrie darstellt. Aber auch für den Dienstleistungssektor ist es sehr wichtig, dass wir dem Thema Bildung auch in der Zukunft einen hohen Stellenwert beimessen. Investitionen in die Bildung müssen uns ein Anliegen sein.


Und wo orten Sie Schwächen?

Müller-Möhl: Wir haben heute eine hohe Regulierungsdichte in der Schweiz. Kombiniert mit unserem föderalistischen System ergeben sich in vielen Bereichen lange Verfahrenswege. Gemessen an der Dynamik der Wirtschaft mit sich rasch ändernden Märkten und kurzen Produktezyklen ergeben sich für Unternehmen in der Schweiz zum Teil bedeutende Nachteile. Im Vordergrund stehen dabei die oft zu langen Bewilligungsverfahren bei Ausbau- und Infrastrukturprojekten und die Import- und Export-Beschränkungen. Ein weiterer Nachteil für die exportierenden Unternehmen bildet der im internationalen Vergleich kleine Binnenmarkt, der als Basis für die Expansion ins Ausland ein relatives kleines Volumen darstellt.

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