Auch wenn technische Innovation mit grossen Schritten vorangeht, hinkt die Gleichstellung
leider etwas hinterher. Carolina Müller-Möhl zu "Alexa" & Co.
Ein Mitarbeiter meiner Stiftung hat mir unlängst Alexa vorgestellt. So heisst ein Gerät aus dem
Hause Amazon, das als sprachgesteuerter intelligenter Assistent auf Befehle reagiert. Alexa soll
klassische Sekretariatsaufgaben übernehmen, wie Büromaterial nachbestellen, Sitzungszimmer buchen,
Telefonkonferenzen steuern und Meetings vereinbaren. Befiehlt man beispielsweise: «Alexa, starte
eine Präsentation», so werden in vernetzten Räumen die Lichter gedimmt, ein Projektor hoch- und
Rollläden heruntergefahren. Ein verblüffendes Ding, was da mit mir kommuniziert. Was ich nicht
Alexa, aber mich selbst gefragt habe: Warum heisst dieses Gerät Alexa und nicht Alex? Warum nimmt
da eine Frau meine Befehle entgegen und antwortet mir mit sanfter, weiblicher Stimme?
Laut dem Vertreiber bezieht sich der Name Alexa auf die Bibliothek von Alexandria, die bedeutendste
Bibliothek der Antike. So far, so good. Obwohl – das muss hier auch gesagt sein – Frauen in der
Bibliothek von Alexandria wohl kaum anzutreffen waren.
Nicht nur Alexa hat eine weibliche Stimme, auch unsere Smartphones, Telefonansagen und Navis
sprechen oft in weiblicher Tonlage. Offenbar – so die kursierenden Erklärungen – wirken weibliche
Stimmen sympathischer und vertrauter und suggerieren mehr Unterwürfigkeit und Dienstleistungs-
bereitschaft, als das bei männlichen Stimmen der Fall ist. Übrigens: Männer und Frauen schätzen
das gleich ein, wie von Experten zu hören ist. Weder Mann noch Frau lässt sich beim Autofahren gern
von einem Mann ins Handwerk pfuschen. Bei einer Frauenstimme ist das kein Problem, weil sie nicht
fordernd rüberkommt, sondern sachdienliche Hinweise liefert, und dies in hilfsbereiter Manier. Sie
empfängt Befehle, sie führt sie aus und steht uns geduldig zur Seite. Sie wirkt beruhigend, wenn
uns im Stau der Kragen platzt.
Interessant ist die Art des Wissens, welches uns das weibliche Navi vermittelt: Es ist simples
Faktenwissen, kein Wissen, das sich erst in einer Diskussion entfaltet. Auch deshalb mag für viele
die weibliche Stimme intuitiv besser passen. Und seien wir mal ehrlich: Wer von uns hat sich nicht
schon mal insgeheim gefreut, wider Empfehlung von Frau Navi einen anderen Weg gewählt zu haben?
Hätten wir uns bei einer männlichen Stimme da genauso ins Fäustchen gelacht?
Unconscious bias, also unbewusste Vorurteile gegenüber den Geschlechtern, treten hier zum Vorschein.
Frauen und Männer kommen bei uns halt unterschiedlich an, im Privat- und Berufsleben. Doch wenn wir
das Geschlechterverhältnis gerechter gestalten wollen, sollten wir uns unbewusster Vorurteile
bewusst werden. Und wir müssen darauf achten, dass wir die alten Muster nicht immer wieder aufs Neue
zementieren. Einige haben das schon verstanden. Barbiepuppen etwa gibt es nicht mehr nur als reine
Schönheitsprinzessinnen. Es werden heute auch sportliche Versionen oder berufstätige Puppen verkauft:
Barbie Tierärztin etwa. Heute fliegen uns Pilotinnen in die Ferien, Ärztinnen leiten Kliniken und
Ingenieurinnen bauen Brücken, zuweilen noch mit Seltenheitswert, aber wir sind dran.
Das Geschlecht der digitalen Assistentin Alexa kann man nicht ändern: Es gibt (noch) keine männliche
Stimme für dieses Gerät. Schade. Denn ich würde mir gern die Wahlfreiheit vorbehalten, auch mal den
Alex in Dienst zu nehmen.
Die Kolumne ist am 30. Mai 2018 in der annabelle erschienen.