Vereinbarkeit Beruf und Familie

Hansueli Schöchli – Mini Frauenquote für Schweizer Firmen


Kotierte Unternehmen sollen künftig mindestens eine Frau im Verwaltungsrat haben und generell für eine «angemessene» Vielfalt in diesem Gremium sorgen. Das empfehlen die neuen Leitplanken von Economiesuisse.

Diesen November ist dicke Post vom Bundesrat zum Aktienrecht zu erwarten. Die Vernehmlassungsvorlage soll nicht nur die vom Volk angenommene Minder-Initiative umsetzen und die Restposten einer früheren Revision aufnehmen, sondern auch «neue» Themen regulieren wie die Vertretung der Frauen im Verwaltungsrat. Ob die im Justizdepartement kursierende Idee einer Frauenquote von 30% für Verwaltungsräte letztlich im Bundesrat und vor allem im Parlament mehrheitsfähig sein wird, muss sich noch zeigen; aus der CVP, die das Zünglein an der Waage spielen könnte, sind skeptische Stimmen zu vernehmen. Für bundesnahe Betriebe hat die Regierung immerhin bereits 2013 einen Zielwert von 30% vorgegeben, mit Erklärungszwang für die Firmen bei Nichterreichen des Ziels.



Mindestens eine soll es sein

Die Wirtschaft hat den politischen Druck in Richtung stärkerer «Frauenförderung» aufgenommen. Die am Montag in Zürich präsentierten Leitplanken (Kodex) des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse über die Führungsregeln von Publikumsgesellschaften führen eine Art Mini-Quote ein. «Dem Verwaltungsrat sollen männliche und weibliche Mitglieder angehören», heisst es im revidierten Kodex. Die Vorgabe von mindestens einer Frau im Verwaltungsrat bringt für viele Unternehmen Handlungsbedarf. Laut einer Erhebung von 2013 hatten rund 60% aller kotierten Schweizer Gesellschaften noch keine Frau im Verwaltungsrat.

Die Leitplanken von Economiesuisse sind von diversen Wirtschaftsverbänden und den Aktionärsberatern Ethos und Swipra mitgetragen. Formell handelt es sich «nur» um Empfehlungen und nicht um juristisch verbindliche Vorgaben. Der Verhaltensgrundsatz dazu heisst «befolgen oder erklären». Im Fall der Frauenpräsenz im Verwaltungsrat dürfte ein lapidarer Satz nach dem Motto «wir haben keine Frau gefunden» auf Dauer als Erklärung nicht mehr genügen, sagen Economiesuisse-Vertreter. Der Kodex könne Wirkung zeigen, indem er den Firmen Leitplanken gebe und den Aktionären und Medien als Druckmittel diene.

Über die Einer-Quote für Frauen hinaus soll der Verwaltungsrat laut dem Kodex eine «angemessene Diversität seiner Mitglieder» sicherstellen. «Angemessen» ist ein Gummibegriff. Doch auch hier geht es vor allem um den Erklärungszwang für Firmen, wenn im Verwaltungsrat etwa nur 50- bis 70-jährigen Schweizer Männer sitzen.

«Wir sind für Frauenförderung, aber gegen Quoten», sagte Nestlé-Vertreter David Frick, Leiter der zuständigen Economiesuisse-Arbeitsgruppe. Auch die neue Economiesuisse-Geschäftsführerin Monika Rühl wandte sich dezidiert gegen ein Quotenkorsett.

Befürworter von Quoten betonen, dass nur mit solch harten Vorgaben die strukturellen Nachteile der Frauen wie schlechtere Vernetzung, Mehrfachbelastung und stärkere Zurückhaltung im Auftreten zu korrigieren seien. Die Begründung für Frauenquoten sei für einen derart grossen Eingriff nicht stark genug, schreibt dagegen Karl Hofstetter, Schindler-Chefjurist und Professor, in seinem Grundlagenpapier zum Verhaltenskodex. Er verweist auch auf die zum Teil zwiespältigen Erfahrungen mit der 40%-Quote in Norwegen. Anderseits habe Finnland mit einer Regel, die jener im Schweizer Code ähnele, in den Verwaltungsräten immerhin einen Frauenanteil von 27% erreicht.



Im Schatten von Minder

Der Economiesuisse-Code deckt ein breites Spektrum ab – von der Rolle der Generalversammlung über die Zusammensetzung der Verwaltungsratsausschüsse bis zu den Cheflöhnen. In der Vergütungsfrage spielt die Musik allerdings seit dem Volks-Ja zur Minder-Initiative auf dem politischen Parkett. Eine Restanz ist dabei der Umgang mit Antrittszahlungen. Laut dem Verhaltenskodex kommen Antrittsgelder nur als Ersatz für den Verlust von Ansprüchen des Betroffenen beim alten Arbeitgeber infrage.

Eine mittlere Linie fährt der Kodex beim Thema Doppelmandat (Verwaltungsratspräsident/Konzernchef). Das Doppelmandat bleibt demnach grundsätzlich möglich, aber der Verwaltungsrat «wirkt darauf hin, dass sein Vorsitz und die Spitze der Geschäftsführung zwei Personen anvertraut werden».


Eine Konzession an den Zeitgeist liefert der Kodex mit dem Hinweis, dass das Ziel der «nachhaltigen Unternehmensentwicklung» den Verwaltungsrat leiten solle. Laut Erläuterungen sollen kurzfristige Aktionärsinteressen in den Hintergrund rücken. Die neue Formulierung läuft wohl auf langfristige Aktionärsinteressen als Kernziel hinaus, aber «nachhaltige Unternehmensentwicklung» klingt offenbar modischer.



Mit freundlicher Genehmigung der NZZ am Sonntag.


H. Schöchli. (2014).

Mini-Frauenquote für Schweizer Firmen.

NZZ am 29.09.2014.