Standortförderung

Mehr Gründerinnen braucht die Schweiz!

Immer wieder treffe ich Berufsfrauen, mit denen ich spannende Gespräche führe und die mich manchmal auch um Rat fragen. Darunter sind immer wieder viele junge Unternehmensgründerinnen, was mich ganz besonders freut. Denn in der Schweiz wird nur jedes zehnte Startup von einer Frau initiiert. Eine besondere Begegnung hatte ich kürzlich mit Kathrin Lehner, Co-Founder und Geschäftsführerin von Coachfrog. Ihr Startup ist die erste Online-Plattform in der Schweiz, die ein flächendeckendes Therapie und Therapeutenangebot systematisiert. Kathrin Lehners Unternehmergeist und Mut haben mich von der ersten Sekunde an begeistert und ich wage zu behaupten, auch sie ging zufrieden aus dem Gespräch. Ein solcher Austausch ist wichtig, weil Gründerinnen ein gutes Netzwerk, Unterstützung und kontinuierliches Coaching gut brauchen können. Und mir als Investorin geben solche Gespräche wertvollen Einblick in die Schweizer Startupszene.

Nicht bei jeder Gründerin geht es mir allerdings so wie bei Kathrin Lehner. Viel zu oft nehmen Frauen im Prozess der Unternehmensgründung eine zu selbstkritische Haltung ein. Neben grossartigen Ideen, dem Engagement und sichtlich spürbarem Herzblut werden mir bereits im ersten Gespräch zu häufig Zweifel und Sorgen vermittelt. Klar ist eine selbstkritische Haltung im gesunden Masse berechtigt und spricht für einen persönlichen Reifegrad, wie sie bei jeder komplizierten Unternehmung essenziell ist. Mein Eindruck ist aber, dass eine selbstkritische Einstellung bei männlichen Unternehmensgründern wesentlich weniger häufig der Fall ist. Da weht mir schon mal öfters der Wind einer vor Selbstbewusstsein strotzenden Geschäftsidee entgegen. Männer geben sich meiner Erfahrung nach zudem risikofreudiger und tragen ihre Ideen äusserst selbstsicher vor.

Man kann natürlich darüber streiten, welche Strategie langfristig die bessere ist. Wie bei einem Bewerbungsgespräch beeindruckt ein vermeintlicher Alleskönner und Überflieger meist mehr als ein mitunter zurückhaltender und vorsichtiger Kandidat. Aber nicht nur durch die Art und Weise der Präsentation, sondern auch bei der konkreten Geschäftsidee scheinen Männer besser bei Investoren anzukommen. Während sie den schnellen Gewinn versprechen und die Expansion betonen, legen Frauen mehr Wert auf nachhaltige Problemlösungen. Hochgepriesene Geschäftsideen mit hohen Gewinnaussichten sind offensichtlich das Gebot der Stunde. Investoren interessiert vor allem, Geschäfte im Bereich Informatik zu tätigen – ein Studiengang, in dem Frauen stark unterrepräsentiert sind; aus meiner Sicht ein weiterer Grund, warum es in der Schweiz so wenige Gründerinnen gibt. Ein Mentalitätswandel ist gefragt: Junge Frauen sollten sich auch das Informatik-Studium zutrauen. Und ein gutes Coaching kann helfen, das überzeugende Auftreten und Präsentieren einzustudieren.

Generell gilt: Schweizer Investoren müssen mehr Risikokapital in Schweizer Startups investieren. Und auch hier ist ein Mentalitätswandel gefragt: Scheitern darf kein Tabu sein, sondern muss zu Neuem anspornen. Ein wirksames Rezept übrigens aus dem erfolgreichen Kalifornien. Gleichzeitig sollten sich Investoren mit den oft von Gründerinnen angedachten nachhaltigen Themen beschäftigen. Denn angesichts der globalen Herausforderungen wie Klimawandel, Rohstoffknappheit, Bevölkerungswachstum, Migration und vielem mehr sind nachhaltige Lösungen gefragt. Diese Startups versprechen vielleicht nicht den allerschnellsten Gewinn, aber einen nachhaltigen und besseren für unsere Zukunft. Und kommen Frauen dann selbstbewusst mit einer Geschäftsidee daher, dann verbieten sich die alten Stereotypen, indem sie als herrisch und bissig abgestempelt werden.

Seit dem Jahr 1291 macht der gute Mix die Schweiz erfolgreich – auch im Unternehmerischen. Und was ein richtiger Mix bedeutet, muss kontinuierlich upgedatet werden: Mehr jungen Gründerinnen und Gründern und mehr jungen Unternehmerinnen und Unternehmern wird Schweizer Kapital anvertraut für risikoreiche, aber auch für mehr nachhaltige Geschäftsideen.

Weil wir gerade beim Thema sind: Das nächste Gespräch mit Kathrin Lehner ist schon fix abgemacht. Wir beide stecken die Köpfe zusammen. Und da es in der Schweiz an heimischen Investoren und jungen Unternehmern fehlt: Feel free to do the same!


Die Kolumne erschien in der

Women in Business

am 25. September 2018