Steuerstrafe für arbeitende Mütter?
In ihrer Kolumne nimmt Carolina Müller-Möhl Stellung zu dem Problem, warum wir Frauen aus dem Arbeitsmarkt verlieren.
Eine Kolumne von Carolina Müller-Möhl
Schweiz, Mitteleuropa, im Jahre 2017: Die gemeinschaftliche Besteuerung von Ehepaaren und die hohen Kosten der Kinderbetreuung zementieren Althergebrachtes: Vor allem für teilzeitarbeitende Mütter in einer sogenannten Ertragsgemeinschaft lohnt sich das Arbeiten kaum. Denn die gemeinsame Besteuerung demotiviert den Zweitverdienenden zu arbeiten. Und laut Bundesamt für Statistik ist in der Schweiz bei 90 Prozent der Paare mit zwei Kindern eben die Frau die zweitverdienende Person. Sie arbeitet Teilzeit, um in der übrigen Zeit der Kinderbetreuung nachzugehen. Oder sie arbeitet Vollzeit, verdient aber ein kleineres Einkommen.
Ein Rechenbeispiel aus der Literatur: Zusätzlich zu der Vollzeitstelle (jährlich 120‘000 Franken) ihres Ehepartners nimmt eine ebenso gut ausgebildete Akademikern eine Arbeitstätigkeit mit 40 Prozent (jährlich zum Beispiel 48‘000 Franken) auf. Im Mittel aller Schweizer Gemeinden beträgt der Steuersatz auf den Zweitverdienst für das Ehepaar 21 Prozent. Bei einer Individualbesteuerung, also bei Paaren, die nicht verheiratet sind, würde der Steuersatz auf dem Zweitverdienst durchschnittlich nur 7 Prozent betragen. Der Staat lässt das zusätzliche Einkommen von verheirateten Müttern durch die hohe Versteuerung und die Kosten, die für die familienexterne Kinderbetreuung anfallen, nahezu verschwinden. Rund 11 Prozent der Schweizer Frauen bezeichnen sich als unfreiwillig unterbeschäftigt – was genau dieser Benachteiligung geschuldet sein dürfte. Eine Individualbesteuerung für verheiratete, berufstätige Paare würde daher den Anreiz einer beruflichen Tätigkeit für Mütter erheblich erhöhen. Die zusätzlichen finanziellen Mittel, die der Familie dann zur Verfügung stehen, begünstigen wohl auch die demographische Entwicklung. Denn es wird mehr Geld für mehr Kinder erwirtschaftet.
Spannend ist, dass in diesem Zusammenhang übersehen wird, dass die ökonomische Bedeutung der häuslichen Betreuung der Kinder durch die Mütter im BIP gar nicht auftaucht. Dies ist umso erstaunlicher, als Avenir Suisse berechnet hat, dass im Jahr 2010 249 Millionen Franken auf geleistete Hausarbeit und 80 Milliarden Franken auf die Kinderbetreuung fielen. PS: Das Total unbezahlter Arbeit wurde mit fast zwei Dritteln von Frauen erbracht. Damit machen Hausarbeit und Kinderbetreuung das grösste Engagement im Schweizerischen Milizsystem aus. Und das System funktioniert nur, weil für diese Arbeit kein Lohn bezahlt wird. Eine Verschiebung der Kinderbetreuung Richtung Markt und eine gerechte Verteilung von Hausarbeit auf beide Partner ermöglicht Müttern zu arbeiten, ihr Teilzeitpensum aufzustocken und für ihre Altersvorsorge anzusparen.
Wegen der Ehepaarbesteuerung und den hohen externen Kinderbetreuungskosten werden vor allem teilzeitarbeitende Mütter dem Schweizer Arbeitsmarkt entzogen, da sie oftmals ganz auf eine Arbeit verzichten oder nur Stellen mit sehr geringem Arbeitspensum annehmen. Und warum? Weil sich alles andere schlicht nicht lohnt. Mit einer individuellen Besteuerung, einer bedarfsgerechten und bezahlbaren Kinderbetreuung und flexiblen Arbeitszeiten lassen sich gute Anreize für Mütter schaffen, die einer beruflichen Tätigkeit nachgehen wollen. Beruf und Familie werden so besser vereinbar und es steht ein gutes Mittel gegen ineffizientes (Volks-)Wirtschaften und den Fachkräftemangel zur Verfügung. Dies kommt letztlich allen zugute.
Die Kolumne erschien in der Women in Business am 23. November 2017