Standortförderung

Was geschieht mit unseren Werten?

Bereits seit hundert Jahren pilgert die Welt an die Stadt am Rheinknie zur Baselworld, um materielle Werte der Extraklasse zu zelebrieren. Aber nicht allen war in diesem Jahr zum Feiern zu Mute. Man spürte, dass der Zeitenwandel der traditionsbehafteten Uhrenindustrie zusetzt.

Doch nicht nur die materiellen Werte sind im Umbruch, auch die immateriellen Werte erleben eine Umwälzung. Statt über Freiheit, Gleichheit und Respekt – die Grundlagen einer funktionierenden Demokratie – zu sprechen, drehen sich die Diskussionen hauptsächlich um Populismus. Zeit also, für eine grundlegende Debatte.

So geschehen an der Universität Zürich, wo sich der Bestsellerautor und Philosoph Richard David Precht an einem fulminanten Vortrag dem Thema widmete. Gesellschaftliche Krisen und Veränderungen seien an sich nichts Neues, sie führten in der Geschichte denn auch immer wieder zu anderen Denkarten und Wertehaltungen, so Precht. So gelassen können wir die vierte industrielle Revolution trotzdem nicht nehmen. WEF-Gründer Klaus Schwab warnt in seinem Buch vor einem Tsunami, der auf die Gesellschaft zurollt. Und auch die Universität von Oxford prognostiziert eine verheerende Welle, die in den nächsten zwanzig Jahren fast die Hälfte aller heutigen Jobs wegschwemmen wird. Klar, dass dieses Szenario Unsicherheiten und Ängste schürt.

Angst ist die grösste Gefahr für Freiheit und ein idealer Nährboden für Populismus. Populismus aber – davon bin ich überzeugt – bietet keine haltbaren Lösungen für die ökonomischen und gesellschaftlichen Sorgen unserer Zeit. Im Gegenteil: Er stellt sich mit seinem moralischen Alleinvertretungsanspruch über den demokratischen Pluralismus. Umso wichtiger ist es, in Zeiten der Umbrüche die Fahne für Freiheit, Gleichheit und Respekt hochzuhalten. Wenn die Regierung Trump nicht an die Erderwärmung glaubt, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko errichtet oder einen Handelskrieg anzettelt, dann werden Klimakatastrophen, Arbeitskräftemangel und noch mehr Abgehängte die Folge sein.

Soweit soll es nicht kommen! Der Moment, um Visionen für unsere Gesellschaft zu entwerfen, könnte nicht besser sein. Spannende Denkansätze liefert

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. Es zeigt neue Gestaltungsräume und alternative Lebensmodelle für unser aktuelles Zeitalter auf.

Es ist also nicht nur die Uhrenindustrie, welche eine Neuausrichtung nötig hat. Damit wir uns auch in den nächsten hundert Jahren an den glänzenden, materiellen Werten der Baselworld erfreuen können, braucht es gerade jetzt eine starke Zivilgesellschaft: Visionen und Engagement, um unsere immateriellen Werte auch im gesellschaftlichen Wandel zu erhalten.

Die Kolumne erschien in der Women in Business am 26. Mai 2017