Was ich mir wünsche – ein offener Brief
Kolumne von Carolina Müller-Möhl
Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte
Fast pünktlich um 12.00 Uhr am letzten Mittwoch war es soweit. Ein neues Mitglied, Guy Parmelin, wurde in Ihrer Mitte aufgenommen. Die Wahl war mit grosser Spannung erwartet worden, weil die Zauberformel in ihrer alten Form nun wieder hergestellt ist. Viele Bürgerinnen und Bürger erhoffen sich davon eine Stabilität in unsicheren Zeiten.
Denn die Herausforderungen für die Schweiz sind enorm. Die grossen Flüchtlingsströme, unser Verhalten gegenüber dem radikalen Islam, unser Verhältnis zur EU, die angespannte Situation vieler Unternehmen nach dem Aufheben des Mindestkurses und die Rolle der Schweiz in der Welt beschäftigen und beunruhigen die Bürgerinnen und Bürger. Gerade weil wir ein Land sind, das in grossem Wohlstand, in Sicherheit und Freiheit lebt, sind das Festhalten am Status Quo und die Angst, etwas zu verlieren, allgegenwärtig. Damit lässt sich aber keine Zukunft gestalten.
Ich frage mich gelegentlich, wo ist eigentlich der Optimismus geblieben, der unternehmerische Geist, insbesondere aber, was ist aus unserer typisch eidgenössischen Tugend geworden, intelligente, pragmatische Kompromisse zu schmieden? Denn die brauchen wir mehr denn je.
So haben Sie mit einer Schutzklausel versucht, die Anliegen der Initianten der Masseneinwanderungsinitiative und der Wirtschaft unter einen Hut zu bringen. Ausgang ungewiss. Es wird schwierig den Menschen begreiflich zu machen, dass Migration nicht eine Bedrohung sein muss, sondern durchaus eine Chance sein kann. Die Schweiz zieht die besten Talente an, die einen essentiellen Beitrag an unseren Wohlstand, unsere Innovationsfähigkeit und den Bildungs- und Forschungsstandort Schweiz leisten. Mit unseren Stärken wie Bürgerengagement und direkte Demokratie haben wir beste Voraussetzung, um mutige Antworten auf die Globalisierung und die Beziehung zu unseren europäischen Partnern zu finden. Darum sollten wir uns für eine Wirtschaft stark machen, die für Freiheit statt Überregulierung steht, für Flexibilität statt Sturheit und für Offenheit statt Abschottung.
Wir sollten aber nicht nur das Potential von gut ausgebildeten Einwandern besser nutzen, sondern auch die naheliegendste Arbeitskräfte-Ressource: unsere Jungen und die Frauen. Nicht mit Quoten oder anderen staatlichen Eingriffen, die Unternehmen unnötig belasten, sondern mit dem Abbau von Fehlanreizen und der Förderung intelligenter Arbeitsmodelle. Es braucht Möglichkeiten für attraktive Teilzeitarbeit oder andere kreative Lösungen innerhalb der Unternehmen, damit Frauen UND Männer Beruf, Familie und Haushalt besser miteinander vereinbaren können.
Das entspricht nicht nur dem Bedürfnis vieler weiblicher Führungskräfte, sondern immer mehr auch dem Wunsch von Männern in Führungspositionen. In der neuen Avenir Suisse Studie «Gleichstellung» schreiben die Autoren richtigerweise, «Massnahmen mit dem Label „Nur für Frauen“ sind mit Vorsicht zu geniessen». Wenn Teilzeitarbeit nur Müttern erlaubt ist, wird zu Unrecht das Clichée bedient, dass Frauen weniger ehrgeizig seien. Flexible Arbeitszeitmodelle dürfen darum nicht geschlechtsspezifisch sein, sondern müssen für alle Angestellten gelten.
Wichtige Zeichen kann auch die Politik setzen, indem sie zum Beispiel die Individualbesteuerung der Ehepartner zulässt und damit nicht Zweitverdienerinnen mit einer höheren Steuerprogression übermässig bestraft. Dieses zusätzliche Geld wird nämlich oft für Kinderkrippen verwendet, ohne die viele Frauen keine Karriere machen können. Und wenn es eine «Deregulierung» dringend braucht, dann bei den wuchernden Vorschriften für das Betreiben einer Kinderkrippe. Auch wenn uns allen das Kindeswohl am Herzen liegt, kann es nicht sein, dass die Regeln für eine Kinderkrippe beinahe gleich kompliziert sind wie jene für eine Bank.
Wenn wir gerade bei unseren Kindern sind; warum muss jetzt ausgerechnet beim kostbarsten Rohstoff gespart werden, den die Schweiz hat: die Bildung? Und warum hinken wir bei der frühkindlichen Bildung (Betreuung und Erziehung) weit hinter vielen anderen Ländern hinterher? Alle verfügbaren Studien belegen, dass es keinen besser investierten Bildungsfranken gibt als jenen, der in die frühkindliche Bildung fliesst.
Auch wenn Bildung in der Schweiz weitgehend in der Hoheit der Kantone liegt, können Sie, liebe Damen und Herren Bundesräte, BotschafterInnen für gute Schulen und eine exzellente Bildung in diesem Land sein. Ich bin es schon und unterstütze aus Überzeugung den Schweizer Schulpreis der Anfang Dezember zum zweiten Mal verliehen wurde. Vielleicht wird uns ja eine(r) von Ihnen an der nächsten Verleihung mit seiner/ihrer Anwesenheit beehren.
Für die Festtage wünsche ich Ihnen nun alles Gute und für das neue Jahr Bon Courage!
Ihre Carolina Müller-Möhl
Erschienen in der Schweiz am Sonntag vom 13. Dezember 2015.