Women in Business?
WOMEN IN BUSINESS: Da gibt es nichts zu diskutieren: ein klasse Magazin, fundierte Artikel, ein super Format! Aber stimmt der Titel mit der gesellschaftlichen Realität in der Schweiz überein? Are Women really in Business? Sind die Frauen hierzulande in den wichtigen Entscheidungspositionen in Politik, Gesellschaft oder eben Wirtschaft vertreten? Ich offenbare Ihnen nichts Neues, wenn ich sage: Leider nein!
Die schlechte Vertretung von Frauen insbesondere im Topmanagement hat viele Gründe, einige davon sind im System verankert. Sie führen dazu, dass Frauen in der Schweiz auch heute oft den Lebensweg ihrer Mütter gehen. Frau Schweizerin – nennen wir sie Cristina – profitiert von einer hoch subventionierten Schulbildung, gefolgt von einer kostspieligen akademischen Ausbildung. Cristina macht anschliessend erste Berufserfahrungen, heiratet und bekommt das erste Kind. Die junge Familie erhält jährlich ihren gemeinsamen Steuerbescheid, der sich übersetzt wie folgt liest:
«Liebe Familie, schön, dass ihr euren Beitrag an die demografischen Verhältnisse der Schweiz leistet. Wir freuen uns auch über all die gut ausgebildeten Frauen in unserem Land. Aber für die teilzeitarbeitende Zweitverdienerin in eurem Haushalt lohnt sich das Arbeiten nicht. Ihr Einkommen wird durch die gemeinsame Besteuerung erheblich reduziert. Und der Rest wird künftig von den Kosten für die externe Kinderbetreuung gebraucht. Von daher, liebe Cristina, tun Sie sich einen Gefallen: Bleiben Sie zu Hause.»
Oft treten Frauen in der Schweiz auch nach der Kinderbetreuungszeit nicht mehr in den Arbeitsmarkt ein. Denn der Wiedereinstieg nach der Familienpause ist äusserst anspruchsvoll. Und wenn die Frauen nicht wieder Fuss im Arbeitsmarkt fassen, dann nimmt die Gesellschaft dabei viel in Kauf: zum einen die Entwertung der Ausbildungen der Frauen und die Entwertung unserer Investitionen in sie. Und zum anderen sind die Frauen erhöhten gesundheitlichen Risiken ausgesetzt und eine Lücke in ihrer Altersvorsorge macht sie zu idealen Kandidatinnen für künftige Altersarmut.
Unser heutiges Steuersystem setzt im grossen Stil negative Erwerbsanreize. Das ist weder schlau noch nachhaltig. Trotz Fachkräftemangels verlieren wir gut und teuer ausgebildete Frauen aus dem Arbeitsmarkt. Ein Grund, weshalb in weiten Teilen Europas die Individualbesteuerung eingeführt wurde. Denn diese Form der Besteuerung setzt Erwerbsanreize und belohnt Frauen, die während oder nach der intensiven Elternzeit wieder arbeiten wollen. Viele Frauen würden gerne mehr arbeiten, können diesen berechtigten Wunsch aber leider nicht realisieren, weil eine Mehrarbeit nicht vereinbar ist oder weil es sich für sie und ihre Familien nicht lohnt. Wenn Frauen kontinuierlich berufstätig sind, fällt der emotional oft sehr schwierige und zudem kostspielige berufliche Wiedereinstieg und Neuanfang weg. Zudem sind berufstätige Frauen finanziell bessergestellt und können leichter bis ins hohe Alter finanziell selbstbestimmt, gesund und erfüllt leben. Wir brauchen unsere Frauen, nicht nur weil wir in sie investiert haben. Sie helfen der Schweiz, die Produktivität zu steigern, den Fachkräftemangel zu entschärfen, und steigern die Wirtschaftsleistung zum Wohle aller. Am Ende des Steuerbescheides von Cristinas Familie sollte es heissen: «Wir stehen mit Ihnen für ein modernes, gelebtes Familienbild ein!»
Ich danke Ihnen, wenn Sie sich für die Einführung der längst überfälligen Individualbesteuerung in der Schweiz einsetzten. Die künftige Generation von Women in Business wird es Ihnen danken. Wenn Sie sich das Ganze noch visuell vor Augen führen wollen, liebe WOMEN IN BUSINESS-Leser und -Leserinnen, dann empfehle ich Ihnen das
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«Irreführende Normen: Die ganz gewöhnliche Geschichte von Louise».
Die Kolumne erschien in der
Women in Business
am 24. Mai 2019